Preis für einen innovativen Ansatz und eine neue Studie in der Onkologiepflege
Soll ein über 75-jähriger Krebspatient eine Standardtherapie erhalten? Nach welchen Kriterien wird über seine Betreuung entschieden? Die multidisziplinäre Onkogeriatrie-Sprechstunde, die von einem HFR-Team ins Leben gerufen wurde, hat nun den zweiten Preis des Verbands Onkologiepflege Schweiz erhalten. Erläuterungen von Natacha Szüts, Fachexpertin Pflege mit Zusatzausbildung.
Worum geht es bei diesem Projekt?
Natacha Szüts: Vorab muss man wissen, dass in der Schweiz ein Drittel der Krebspatienten älter als 70 Jahre ist. Ein früheres Projekt hat gezeigt, dass in Freiburg 25 Prozent der Patienten keinen Zugang zu einem Onkologen haben, wobei es sich um deutlich ältere Patienten handelt. Dank unserer Arbeit konnten wir im Oktober 2017 eine multidisziplinäre Onkologie-Sprechstunde auf die Beine stellen.
Wie funktioniert diese konkret?
Früher entschied der Onkologe oder der behandelnde Arzt im Alleingang, ob eine Therapie begonnen wird oder nicht. Heute, und das ist das Neue daran, wird mit den Patienten ein Gespräch anhand eines spezifischen multidisziplinären Fragebogens geführt. Auf dieser Grundlage lässt sich beurteilen, ob der Patient noch fit genug ist, um sich einer Standardkrebstherapie zu unterziehen. Ist dies nicht der Fall, reichen manchmal bereits geringfügige Anpassungen, zum Beispiel bei der Ernährung.
Welche Vorteile bietet dieses multidisziplinäre Vorgehen?
Es liefert einen Gesamtüberblick. Dank dieses Ansatzes können wir auch Patienten behandeln, denen man aus Altersgründen vielleicht keine onkologische Behandlung mehr empfohlen hätte. Nun betrachten Ärzte, Onkologen, Pflegefachpersonen, Ernährungsberater und Physiotherapeuten jeden Fall einzeln, um für jeden Patienten geeignete Lösungen zu finden. Der ambulante Behandlungspfad bleibt derselbe, aber er wird im Voraus multidisziplinär geplant.
Was bringt Ihnen dieser Preis, den Sie für Ihren innovativen Ansatz erhalten haben?
Er macht in erster Linie unsere Arbeit sichtbar. Er ist damit eine Belohnung für das ganze Team, aber auch für das HFR. In der Schweiz gibt es ähnliche Ansätze, aber unserer ist in dieser Form einzigartig und findet vielleicht Nachahmer.
Natacha Szüts, MScN, spezialisierte Fachexpertin Pflege/APN Onkologie
Dr. med. Vérène Dougoud, Leitende Ärztin Onkologie
Dr. med. André Laszlo, Chefarzt Klinik für Geriatrie HFR
Rahel Fauser, Ernährungsberaterin
Nathalie Bartolucci, Leiterin Abteilung Ernährungsberatung und Diätetik
Dr. med. Anne-Catherine Barras, Leitende Ärztin und Ansprechperson für Ernährungs- und Suchtfragen, Abteilung Innere Medizin
Sébastien Mathys, Leiter Physiotherapie
Prof. Dr. med. Daniel Betticher, Chefarzt Onkologie
Natacha Szüts ist gleich zweifache Preisträgerin: Gemeinsam mit anderen Fachkräften erhielt sie für ein Poster den dritten Preis des Schweizerischen Vereins für Pflegewissenschaft (VFP). Die Studie, die im Rahmen eines Masters und einer Dissertation durchgeführt wurde, untersucht unerwünschte Ereignisse in Zusammenhang mit der Pflege von Krebspatienten. „Dies können Verletzungen, Stürze oder Infektionen sein“, erläutert die Fachexpertin.
Im Verlauf der sechswöchigen Studie wurden 192 Fälle festgestellt. Die Analyse von 224 Dossiers aus drei Schweizer Spitälern, darunter das HFR, ergab, dass 21 Prozent der Fälle vermeidbar gewesen wären. „Schmerzen in Zusammenhang mit der Pflege, Verstopfung und Infektionen sind die häufigsten unerwünschten Ereignisse.“
Trotz der begrenzten Reichweite der Studie gelang es in der Schweiz damit zum ersten Mal, diese Ereignisse zu beziffern. „Dies gibt uns Hinweise darauf, wo wir die Pflegequalität verbessern können – nämlich bei diesen diversen Unannehmlichkeiten für unsere Patienten.“