Ein Escape Game im pyjamafreien Spital
Ein Escape Game im HFR? Das Spital als pyjamafreie Zone? Wenn Sie jetzt nur Bahnhof verstehen, klären wir Sie gerne auf: Beim Escape Game handelt es sich um eine von der Abteilung Physiotherapie und Ergotherapie am HFR Freiburg – Kantonsspital entwickelte Aktivität für unsere Patientinnen und Patienten. Das Spiel steht in Zusammenhang mit dem Konzept «Aktiv bleiben im Spital» – dem pyjamafreien Spitalaufenthalt also – und soll dabei helfen, mehr Bewegung in den Spitalalltag zu bringen.
Vielleicht sind Ihnen am Standort Freiburg in letzter Zeit hie und da seltsame Plakate aufgefallen? Ein 4500 Jahre altes Kamel in der Nähe der Cafeteria, Brücken am Ausgang der blauen Lifte im 6. Stockwerk, ein Riesenpuzzle in der Nähe der Kapelle im Untergeschoss ... Diese sind für die Patientinnen und Patienten bestimmt, die am Escape Game teilnehmen. In einem vom Team der Abteilung Physiotherapie und Ergotherapie konzipierten Parcours, der sich über das ganze Spital erstreckt, sammeln die Patientinnen und Patienten Hinweise und lösen Rätsel.
Gerüstet mit ihrem Reisetagebuch, das alle Instruktionen enthält, laufen die Patientinnen und Patienten durch die Gänge und Stockwerke, holen hier ein Flugticket ab, finden dort die Lösung eines Rätsels und erhalten am Ende des Spiels eine Postkarte, die sie ihren Angehörigen schicken können. Und siehe da, an einem Tag oder über mehrere Tage verteilt wurden ganz nebenbei genügend Schritte gemacht, um die negativen Auswirkungen mangelnder Bewegung zu vermeiden.
Denn genau darin liegt das Ziel des Konzepts «Aktiv bleiben im Spital», welches mittlerweile ein institutionelles Konzept ist. Mit Slogans wie «Aufstehen, anziehen, aktiv werden!» oder «Das Bett ist zum Schlafen da!» wurde eine Kampagne lanciert, die Patientinnen und Patienten auf die Vorteile von ausreichend Bewegung im Spital aufmerksam machen soll. Damit geht auch die Empfehlung einher, täglich mindestens 900 Schritte (also viermal den Spitalgang rauf und runter) zu laufen, um Komplikationen im Zusammenhang mit dem Spitalaufenthalt zu vermeiden.
Das Team der Abteilung Physiotherapie und Ergotherapie weiss aber natürlich auch um die Herausforderungen, die ein Spitalaufenthalt mit sich bringen kann (Motivationstief, wenig stimulierende Umgebung), und scheut deshalb keine Mühe und keinen Aufwand, um die Mobilität der Patientinnen und Patienten zu fördern. Ziel ist es, eine stimulierende und motivierende Umgebung zu schaffen. So werden zum Beispiel, ganz im Sinne des Escape Games, jeden Nachmittag Fitnesskurse und Flashmobs angeboten. Im 9. Stockwerk wurde zudem ein Bücherschrank eingerichtet.
Auch wenn sie eigentlich laufen könnten, verbringen Patientinnen und Patienten den Grossteil ihrer Zeit im Spital in der Horizontalen. Dieser Grundsatz ist tief verankert. Unsere Angehörigen bringen uns unser Pyjama und unsere Bettsocken vorbei. Punkt. Doch was hindert uns eigentlich daran – sofern wir denn körperlich dazu in der Lage sind –, aufzustehen, spazieren zu gehen oder unser Bett zu machen? Eigentlich nichts – ausser vielleicht das Spitalnachthemd, das unseren Allerwertesten mehr schlecht als recht bedeckt ... Dieses Nachthemd muss aber nicht tagelang getragen werden. Es ist deshalb schlichtweg eine Frage der Gewohnheit, wenn wir einen Spitalaufenthalt in erster Linie mit Bettlägerigkeit und Pyjama in Verbindung bringen. Studien belegen, dass Patientinnen und Patienten, die eigentlich mobil wären, 23 Stunden am Tag inaktiv sind, also im Sitzen oder Liegen verbringen. Bei Personen, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, um sich fortzubewegen, liegt dieser Wert sogar bei sagenhaften 23 Stunden und 48 Minuten!
Dieser Bewegungsmangel hat jedoch drastische Auswirkungen: Bleiben Patientinnen und Patienten im Bett, verlieren sie pro Tag 1 bis 5 Prozent ihrer Muskelmasse. Das hat negative Folgen, insbesondere für ältere Menschen: verminderte Kontrolle der Körperhaltung, also des Gleichgewichts, Verlust der Selbstständigkeit, anhaltende Schwierigkeiten bei Aktivitäten des täglichen Lebens, Niedergeschlagenheit, verringertes Blutplasmavolumen, reduzierte Lungenkapazität sowie Risiko für Dekubitus und Venenthrombosen. Die Liste könnte beliebig erweitert werden. «Nach einem Spitalaufenthalt leidet jede dritte Patientin, jeder dritte Patient an mindestens zwei neuen gesundheitlichen Problemen, die hauptsächlich auf den Bewegungsmangel zurückzuführen sind», erklärt Olivier Rime, Leiter der Abteilung Physiotherapie und Ergotherapie am Standort Freiburg.
Seine Abteilung arbeitet deshalb eng mit dem Ärzte- und Pflegeteam zusammen, um die Patientinnen und Patienten zu ermutigen, sich so viel wie möglich zu bewegen. So werden Tätigkeiten wie das Anziehen von Kleidung und Schuhen, das Einnehmen von Mahlzeiten am Tisch oder das Bettmachen fester Bestandteil im Therapiealltag. Denn: Je schneller die Patientinnen und Patienten zu ihren Gewohnheiten zurückkehren, desto schneller können sie nach Hause.