Hinter den Kulissen des HFR: Die Intensivpflege
Die Coronavirus-Epidemie erschüttert die Schweiz auf allen Ebenen. Ausserordentliche Massnahmen verändern unseren Alltag, beschränken unseren Lebensraum und wecken zahlreiche Ängste. Es wird alles daran gesetzt, die Verbreitung dieses neuen Virus einzudämmen. Das Gesundheitswesen kämpft an vorderster Front: In den Spitälern, Kliniken und Permanences geben alle vollen Einsatz, um Kranke zu versorgen und Leben zu retten. Ein bewundernswertes und unentbehrliches Engagement.
In diesem Blog möchten wir Ihnen die Menschen und Berufsgruppen vorstellen, die auf unterschiedlichen Ebenen im Kampf gegen das Virus wirken. Ausserdem zeigen wir Ihnen, welche Vorkehrungen getroffen wurden, und stellen Falschinformationen richtig. Wir möchten diesen Bereich ausserdem dazu nutzen, Ihnen von Herzen für Ihre Nachrichten und Ihre Unterstützung zu danken. Und denken Sie daran: Sie können uns helfen, indem Sie auf Ihre Gesundheit achten und zu Hause bleiben!
Die Abteilung Intensivpflege bereitet sich darauf vor, in den nächsten Wochen zahlreiche Patienten aufzunehmen. Interview mit Govind Oliver Sridharan, Chefarzt, und Gilles Jegou, Fachexperte Pflege in der Intensivpflege.
Wie bereitet sich die Intensivpflege auf die Betreuung der Patienten vor?
Govind Sridharan: Unsere Mission ist es, die Anzahl der Betten in unserer Abteilung zu erhöhen. Wir werden letztlich über vier Intensivstationen verfügen und so in Freiburg sehr viel mehr Patienten betreuen können als normalerweise. Wir bereiten die neuen Räumlichkeiten vor und passen die bereits genutzten Räume an, denn diese sind für die aktuelle Situation ungeeignet, weil eine Isolation mit angemessenen Sicherheitsmassnahmen zum Schutz des Personals nicht möglich ist. Diese Arbeiten laufen und seit dem 26. März 2020 verfügen wir über Betten zur sicheren Behandlung von Patienten in kritischem Zustand.
Gilles Jegou: Neben der Aufrüstung der Räumlichkeiten müssen wir auch Material beschaffen, insbesondere Beatmungsgeräte. Aber vor allem müssen wir das Personal für die Nutzung dieses Materials schulen. Ein Beatmungsgerät nützt nämlich nur etwas, wenn man es korrekt anwenden kann. Weil eine gute Ausbildung so wichtig ist, haben wir für die Mitarbeitenden Videos gedreht, in denen komplexe Verrichtungen wie das korrekte Anziehen von Überschürze, Handschuhen, Haube und Schutzbrille vor dem Betreten eines Isolierzimmers (und natürlich auch das Ausziehen) erklärt werden. Unser Personal wird ausserdem zu verschiedenen therapeutischen Intubationsmassnahmen weitergebildet, die mit einem sehr hohen Risiko verbunden sind. Alle Mitarbeitenden erhalten zudem eine Schulung zur strikten Einhaltung der sehr strengen Hygienemassnahmen. Im Rahmen dieser Weiterbildungen können wir auf die Unterstützung des Berufsbildungszentrums Pflege zählen, welche die Video-Tutorials erstellt hat. Daneben müssen auch die Verbrauchsgüter verwaltet werden. Wir haben dafür gesorgt, dass wir genügend Schutzmaterial, Beatmungsgeräte und Arzneimittel auf Lager haben.
In der Intensivpflege sind Sie sozuagen an der vordersten Front im Kampf gegen die Infektion. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
GS: Ich denke, wir fühlen uns nicht wie an der vordersten Front, sondern eher in der Mitte eines Grossereignisses, welches das ganze Spital betrifft. In der Mitte und umgeben von zahlreichen Abteilungen, die uns helfen. Die Logistik, die verschiedenen Direktionen und die anderen Abteilungen: Wirklich alle bieten uns ihre Unterstützung an und das ist sehr wichtig. Wir hatten Glück: Wir haben gesehen, was in Italien und im Tessin und nun auch in Genf und Lausanne passiert und haben einen Vorsprung. Diese Zeit haben wir genutzt, um uns bestmöglich vorzubereiten. Während wir auf die Zunahme der Patientenzahlen warten, führen wir unsere Arbeiten weiter.
GJ: Alle Kaderärzte informieren sich jeden Tag bei anderen Spitalzentren in Frankreich, Italien und der Schweiz über die aktuelle Lage, Strategien und notwendige Anpassungen. Dieser Erfahrungsaustausch ist sehr dynamisch und bereichernd. Wir nutzen die Empfehlungen von Experten anderer Spitäler, um zu vermeiden, dass wir Fehler wiederholen.
Patientenbesuche sind derzeit verboten. Wie sieht der Kontakt zu den Angehörigen aus?
GS: Es ist schwierig: Normalerweise haben wir eine grosszügige Besuchsregelung und freuen uns, wenn die Familien vorbeikommen, weil diese Momente für sie und die Patienten wichtig sind. Angesichts dieser neuen Situation haben wir ein System eingeführt, über das wir die Familien mindestens einmal am Tag und wenn nötig öfters telefonisch informieren – und natürlich können sie uns auch anrufen. Wir versuchen, ihnen so gut es geht zu erklären, was geschieht, und ihnen zu zeigen, dass wir unser Bestes geben, um ihrem kranken Angehörigen zu helfen. Aber es kann zu schweren Krankheitsverläufen kommen, manchmal sogar mit Todesfolge. Bei Patienten am Lebensende machen wir Ausnahmen. Wir tun, was wir können, aber wir sind uns bewusst, dass dies nicht den gewohnten Standards entspricht.
Was ist Ihnen in der aktuellen Lage besonders wichtig?
GS: Die Botschaft ist klar: Bleiben Sie zu Hause und isolieren Sie sich zu Ihrem eigenen Schutz. Das ist wirklich am allerwichtigsten. In der Intensivpflege behandeln wir Leiden, die durch die Ansteckung ausserhalb des Spitals entstanden sind. Wir kommen zum Einsatz, wenn die Krankheit bereits eingetroffen ist. Aber jeder kann dazu beitragen, dass es gar nicht so weit kommt: Bleiben Sie zu Hause und retten Sie Leben!
GJ: Die Situation ist schwierig, aber wir erleben gerade einen historischen Moment. Innerhalb unserer Teams herrscht eine unglaubliche Energie und Dynamik. Alle bereiten sich gemeinsam vor. Wir unterstützen uns gegenseitig und kommunizieren wohlwollend miteinander, denn wir wissen, dass uns ein Marathon bevorsteht: Jetzt heisst es Ausdauer zeigen und dafür machen wir uns bereit.