Professor Annoni geht in den (Un)ruhestand

Professor Jean-Marie Annoni widmete seine Karriere der Erforschung und Lehre des Nervensystems und des Gehirns, derer Erkrankungen und Therapiemöglichkeiten. Nun bereitet sich der Chefarzt und Co-Leiter der Abteilung Neurologie des HFR auf seinen wohlverdienten Ruhestand vor. Er blickt zurück auf eine faszinierende Laufbahn, die klinische Forschung und universitäre Lehre verband und von vielen schönen Momenten geprägt war.

Professor Annoni, Sie haben sich der Neurologie verschrieben. Weshalb gerade diesem Fachgebiet?

Ich gebe zu, dass ich auch mit der Inneren Medizin geliebäugelt hatte. Zu Beginn der 80er-Jahre steckten die Neurowissenschaften noch in den Kinderschuhen. Dieses Gebiet interessierte mich sehr und ich wollte an der Entwicklung teilhaben. Meinen Entscheid bedauere ich bis heute nicht. Die Neurologie ist nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht faszinierend, sondern auch auf therapeutischer Ebene. Bei bestimmten chronischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Multiple Sklerose können wir den Patienten in die Überlegungen einbeziehen und ihn langfristig zu einem aktiven Partner in seiner Behandlung machen.

Was hat Sie nach Freiburg geführt?

Nach meinem Studium habe ich in Genf, Zürich, Valens, Lausanne und im Wallis praktiziert. Eines Tages sah ich eine Stellenanzeige für einen Neurologen an der Universität Freiburg. Ich war zwar mit meiner Arbeit in Genf zufrieden, wollte aber mein Tätigkeitsfeld in der Neurologie etwas erweitern und habe mich deshalb beworben. Als Professor an der Universität bekam ich zudem die einzigartige Gelegenheit, am Projekt des dritten Studienjahrs für Medizinstudierende (Bachelor) teilzunehmen. Dass wir in diesem Jahr die ersten Master-Absolventinnen und Absolventen feiern, ist ein unglaublicher Erfolg!

Ich erhielt auch die Möglichkeit, die stationäre Neurologie aufzubauen, die in die Innere Medizin integriert war. Neurologen führten bereits Sprechstunden im Kantonsspital durch, und zusammen mit Andrea Humm ‒ die zur gleichen Zeit wie ich am HFR angefangen hatte ‒ und anderen Kollegen konnten wir im Laufe der Zeit wichtige Angebote für das Spital schaffen, wie die Stroke Unit, Spezialsprechstunden für Epilepsie, Parkinson und gewisse entzündliche Erkrankungen sowie Gedächtnissprechstunden. Dank der hervorragenden Zusammenarbeit innerhalb des Kantons, insbesondere mit der Inneren Medizin, aber auch mit anderen Berufsgruppen und Partnern wie dem Freiburger Netzwerk für psychische Gesundheit, konnte die Neurologie im Kanton weiterentwickelt werden. Wir haben auch neue Assistenzärztinnen und -ärzte der Inneren Medizin bei uns ausgebildet, was einer stetig wachsenden Nachfrage entspricht.

Wie hat sich die Neurologie im Allgemeinen entwickelt, seit Sie Ihre Tätigkeit angefangen haben? Die Fortschritte sind beträchtlich. Während es in meiner Anfangszeit vor allem darum ging, zu beobachten, ist die Neurologie heute interventioneller geworden. Parallel dazu gab es auch Fortschritte bei der medikamentösen Behandlung und einem nicht-medikamentösen Ansatz, der auf der Verbesserung des Lebensstils (Ernährung, körperliche Aktivität, Gehirntraining) basiert und einen gewissen Einfluss auf Krankheiten wie z. B. Multiple Sklerose hat.

Gibt es einen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ich habe viele spannende Fälle erlebt und wir konnten zahlreichen Menschen helfen. Ich erinnere mich besonders an eine Person, die mit einer halbseitigen Lähmung in die Notaufnahme kam und das Spital nach einer Behandlung zur Auflösung des Blutgerinnsels ohne Folgeschäden verlassen konnte. Was mich auch berührt hat, sind mehrere Fälle von Patienten, die während fast zwei Wochen pro Monat an Migräne litten und deren Lebensqualität wir dank einer neuen subkutanen Therapie, die in den letzten Jahrzehnten entwickelt wurde, deutlich verbessern konnten.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Zunächst werde ich etwa drei Monate lang reisen. Dann werde ich mir überlegen, ob ich wieder zu 30 Prozent in der Lehre oder vielleicht in der Klinik arbeiten möchte. Das ist noch offen, aber es ist an der Zeit, den Jüngeren Platz zu machen, von deren Kompetenz und Professionalität ich überzeugt bin!

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