Frauen in der Orthopädie fördern

Zu klein, nicht genug Kraft, unterschiedliche körperliche Voraussetzungen? So schnell lassen sich Frauen nicht entmutigen, sich auf Orthopädie zu spezialisieren. Um die Unentschlossenen zu überzeugen, sich in diesem Bereich zu engagieren, haben sich mehrere Ärztinnen (davon zwei vom HFR) zusammengeschlossen und Swiss Female Orthopaedics gegründet.

„Gewisse Klischees halten sich hartnäckig!“ Diese Feststellung veranlasste die Ärztinnen Nermine Habib und Corinne Zurmühle, beide in der Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des HFR tätig, sowie Frances Weidermann (Langenthal) und Jasmin Diallo (Basel), die Organisation Swiss Female Orthopaedics ins Leben zu rufen. Unterdessen engagieren sich weitere Orthopädinnen im Komitee, darunter die beiden HFR-Mitarbeiterinnen Dr. med. Laura Fontanella und Dr. med. Angela Seidel. Das Ziel des Frauen-Netzwerks: „Erfahrungen und Verbesserungsideen zusammentragen, um Frauen in der Orthopädie zu fördern und so Lösungen für verschiedene Herausforderungen zu finden, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.“

Das Vorhaben von Swiss Female Orthopaedics ist keineswegs feministisch motiviert: „Wir wollen unser Fachgebiet sichtbar machen und zeigen, dass es für alle zugänglich ist.“ Lange war die Orthopädie denn auch eine reine Männerdomäne. „Einen Knochenbruch zu richten oder in einer Hand gleichzeitig ein Arthroskop und eine Kamera zu halten, sind Handgriffe, für die Frauen oder kleine Männer andere Strategien finden müssen.“ Das mag selbstverständlich klingen, ist aber zu Beginn einer Karriere nicht immer ganz einfach. „Wenn man im OP-Saal anfängt, braucht es Mut, dies einem Chefarzt zu erklären.“

Die Mentalitäten verändern sich

Dank Swiss Female Orthopaedics tauschen sich aktuell bereits 180 Spezialistinnen über die ganze Schweiz und die Sprachgrenzen hinweg aus. „Dieses Netzwerk ermöglicht es den Ärztinnen, Erfahrungen auszutauschen und diese in ihrem Berufsalltag anzuwenden.“ Anfangs März haben sie sich zur zweiten GV getroffen. Wie schon im vergangenen Jahr werden sie im Juni am jährlichen Kongress von swiss orthopaedics präsent sein.

Und was bringt die Zukunft? „Wir möchten weiterhin jedes Jahr sogenannte Fellowships anbieten, d. h. Stipendien, dank denen sich Frauen an den wichtigsten Zentren in der Schweiz weiterbilden können. Dieses Jahr erhalten drei orthopädische Chirurginnen ein Stipendium mit Schwerpunkt Fuss- und Knöchelchirurgie.“ Das Frauen-Netzwerk ist auch motiviert, Events für Medizinstudierende sowie Gymnasiastinnen und Gymnasiasten zu organisieren, und Möglichkeiten für Jobsharing zu entwickeln. Das alles soll weiterhin in Zusammenarbeit mit ihren männlichen Kollegen geschehen. „Die Mentalitäten verändern sich. Auch Männer wollen zum Beispiel immer öfter Privatleben und Beruf besser vereinbaren können. Langfristig würden wir uns natürlich freuen, wenn sich Swiss Female Orthopaedics weitestgehend überflüssig machen würde, weil Frauen in der Orthopädie ausreichend vertreten sind.“

 

Viele gut qualifizierte Frauen am HFR

In der Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des HFR praktizieren 23 Frauen. Davon bekleiden ungefähr zehn eine verantwortungsvolle Position, was in der Schweiz eher die Ausnahme ist. „Das Geschlecht ist für mich nicht wirklich ein Thema“, bemerkt Professor Moritz Tannast, der Klinikchefarzt. Am wichtigsten sei für ihn die berufliche Eignung.

Als Vorstandsmitglied von swiss orthopedics bestätigt er aber, dass Frauen in diesem Berufszweig kaum vertreten sind. „Zu Beginn meines Studiums waren wir nur Männer. Das liegt daran, dass es sich um einen handwerklichen Beruf handelt. Ich vergleiche ihn gerne mit dem Job des Automechanikers oder des Schreiners – auch dort gibt es weniger Frauen.“ Allerdings schlagen unterdessen immer mehr Frauen diesen Weg ein: „Oft mit dem Fokus auf feine Gelenke wie Hände und Füsse oder in der Kinderorthopädie.“

Für Moritz Tannast stellt ein „gemischtes Team einen Mehrwert dar, insbesondere was die Kommunikation angeht“ – und das ist wahrlich ein Trumpf für das Funktionieren einer Klinik. Das Erreichen der Parität zwischen den Geschlechtern hat in seinem Team aber nicht Vorrang: „Ob Frau oder Mann, unsere Devise lautet: patient number one!