Die Klinik ist hochqualifiziert

Wechsel an der Spitze der Klinik für orthopädische Chirurgie: Prof. Moritz Tannast wurde am 1. März 2019 Nachfolger von Prof. Emanuel Gautier. Eine Einschätzung der Klinik durch Prof. Tannast, der vom Inselspital ans HFR wechselte, zu seinem Spezialgebiet und den aktuellen Entwicklungen in der Orthopädie. 

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Prof. Dr. med. Moritz Tannast

Prof. Moritz Tannast

Prof. Tannast, seit 1. März 2019 leiten Sie die Klinik für orthopädische Chirurgie. Was war Ihre Motivation, sich für diese Stelle zu bewerben?

Ich kannte die Klinik bereits, deren Renommee und die verantwortlichen Ärzte und wusste, welche Leistungen in Freiburg erbracht werden: Das ganze Spektrum der Orthopädischen Chirurgie und Traumatologie. Die Klinik ist fachlich hochqualifiziert, als Weiterbildungsstätte A1 anerkannt und wird ab Herbst 2019 zusammen mit der Universität Freiburg einen eigenen, kompletten Medizinstudiengang anbieten. Neben den anderen fünf Universitätsspitälern ist das HFR nun das sechste Spital in der Schweiz, welches direkt mit einer eigenen Universität verbunden ist – darauf können wir stolz sein. Zudem war das klinische Profil exakt auf mich zugeschnitten: Wie Prof. Emanuel Gautier bin auch ich spezialisiert in der Hüft- und Beckenchirurgie, und so kann ich diese Aufgabe von ihm nahtlos übernehmen. 

Wie würden Sie heute den Zustand der Klinik beschreiben? Die medizinische Kompetenz ist ausgezeichnet. Die Infrastruktur ist wie im Inselspital: Je näher zum Operationssaal, desto moderner – der Patient jedoch sieht meistens nur das Zimmer. Damit will ich sagen: Der Operationstrakt bietet eine hervorragende Infrastruktur, die der Patient natürlich während eines Eingriffes nicht oder nur bedingt wahrnimmt. Ein Kompliment muss ich an Prof. Gautier richten, der eine moderne Teamstruktur geschaffen hat, die in der Schweiz in dieser Form fast einzigartig ist: Hier wird vom orthopädischen Wahleingriff bis zur unfallchirurgischen Versorgung ein sehr breites Spektrum abgedeckt inklusive Kinder-, Hand- und Neurochirurgie. Die Klinik hat ein abgestuftes Versorgungsmodell, das im Moment noch Sinn macht: Spezielle Frakturen werden nur am Standort Freiburg behandelt, andere weniger komplexe Fälle auch an den Standorten Riaz und Tafers. 

Sie sind ein Spezialist der Hüftchirurgie. Wo setzen Sie Schwerpunkte in der Behandlung, und was bringt dies den Patienten? Es gibt mehrere Ansätze: Die klassische Hüftprothese soll möglichst gewebeschonend und mit grösster Genauigkeit implantiert werden. Damit lässt sich die nachfolgende Liegezeit verringern, womit der Patient schneller wieder fit ist. Dank der Anschaffung eines spezifischen OP-Tisches kann ich eine derartige muskelschonende Technik anwenden, was ein Novum am HFR Freiburg – Kantonsspital darstellt. Auch wichtig: Die Infektionsrate der Klinik ist tief, und dieser hohe Standard soll unter allen Umständen erhalten werden. Ein zweiter Hauptschwerpunkt meiner klinischen Tätigkeit sind «junge, schmerzhafte Hüften»: Es handelt sich dabei um kleine Formvarianten der Hüfte, welche bei körperlicher Aktivität Leistenschmerzen verursachen. Unbehandelt führen derartige Fehlformen später oft zu einer Arthrose. Es konnte gezeigt werden, dass in der Schweiz jeder vierte Mann eine derartige Fehlform hat, welche mit der entsprechenden sportlichen Aktivität Probleme machen kann. Viele Sportler sind davon betroffen, wie Jogger, Skifahrer, Hockeyspieler oder Fussballer. Dieses Thema ist noch wenig präsent in der Bevölkerung, umso wichtiger ist es, darauf aufmerksam zu machen! Bei einer frühzeitigen chirurgischen Therapie kann man diesen Patienten sehr gut helfen. 

Welche Entwicklungen erwarten Sie in der Orthopädie? Und wie bereitet sich die Klinik darauf vor? In sieben Jahren ist mit einer Verdoppelung der Anzahl Hüftprothesen schweizweit zu rechnen rein aufgrund der demografischen Veränderung, da die Bevölkerung immer älter wird. Die Generation der Babyboomer kommt ins Arthrosealter. Zudem sehen wir mit zunehmendem Alter viele neue, zum Teil komplexe Frakturmuster. Zum Beispiel stellen wir heute bei älteren Leuten mit nur kleinstem Trauma im Alltag viele Beckenbrüche fest, welche wir früher nur bei Hochgeschwindigkeitsunfällen gesehen haben. Der Bereich der Gerontotraumatologie, also der Altersfrakturversorgung, nimmt massiv zu, und somit müssen auch wir uns anpassen, beispielsweise mit neuen Implantaten, chirurgischen Zugängen oder stabileren Fixationsmethoden. Gleichzeitig wachsen die Ansprüche der Bevölkerung, heute gilt «60 is the new 40», also die 60jährigen führen ein aktives Leben wie 40jährige. Wichtig für uns Orthopäden ist dabei eine umfassende Information an die Patienten: Als Arzt kann ich eine Behandlung empfehlen, aber es ist immer der Patient, der letztlich entscheidet. Dabei ist die Information sachlich, um keine unrealistischen Erwartungen beim Patienten auszulösen. 

Was bringt die Digitalisierung in der Orthopädie? Sie unterstützt mich als Arzt bei verschiedenen Etappen zur Förderung der Effizienz und der Genauigkeit: Um zu verstehen, worum es geht, wie ein Leiden behandelt werden soll und schliesslich nach dem Eingriff, um herauszufinden, wie genau dieser war. Ein Animationsvideo eines Hüftgelenkes in 3D beispielsweise ermöglicht eine viel genauere Diagnostik oder liefert Information über den Knorpelstatus. Das hilft, um anschliessend den richtigen Entscheid zu treffen. Die hochpräzisen Bilder haben auch schon dazu beigetragen, neue Pathologien zu entdecken, also bisher unerkannte Leiden. Zum anderen eröffnet die digitale Planung eines operativen Eingriffes sicherlich viele Möglichkeiten, um die Wahl des chirurgischen Verfahrens zu optimieren. Dies vereinfacht das Verständnis des Patienten für sein Problem. 

Aktuell stehen problematische Implantate im Scheinwerferlicht. Was ist Ihre Meinung dazu? Die Orthopädie benützt seit Jahrzehnten mit Erfolg eine Vielzahl von Implantaten. Die Hüftprothetik wurde sogar als «Operation des Jahrhunderts» betitelt. Wenn man nicht systematisch Implantate verbessert hätte, die sich nicht bewährt haben, wäre es nie zu dieser Erfolgsgeschichte gekommen. Grundsätzlich weiss man erst nach 20 Jahren, ob sich etwas bewährt oder nicht. Ziel eines jeden neuen Implantates ist es, wenig Komplikationen und viel Erfolg zu haben. Dazu gibt es in vielen Ländern Prothesenregister, so auch in der Schweiz, wo die Prothesen obligatorisch erfasst werden. Grundsätzlich zeigt sich: Die medizinische Qualität in der Schweiz ist sehr gut. Ich freue mich, dass meine Klinik am HFR einen substanziellen Beitrag dazu leistet. 

 

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