Ein Leben für die Chirurgie

Bernhard Egger, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Chirurgie am HFR Freiburg – Kantonsspital und ordentlicher Professor für Chirurgie an der Universität Freiburg, hat sein Fachgebiet und den Werdegang vieler junger Chirurginnen und Chirurgen geprägt. Dazu setzte er sich stets auch für eine Medizin im Interesse der Patientinnen und Patienten ein. Jetzt tritt er in den Ruhestand und will die marokkanische Wüste erkunden.

Wenn er ein Foto aussuchen müsste, das ihn am besten charakterisiert, würde er dasjenige wählen, wo er mit der Lupenbrille und mit dem Instrument in der Hand operiert. «Chirurgie ist die perfekte Symbiose zwischen intellektuellem und handwerklichem Arbeiten», sagt Prof. Dr. med. Bernhard Egger. «Beim Operieren bin ich höchst konzentriert, aber gleichzeitig auch total entspannt.» 

Konzentriert – man könnte meinen, das Adjektiv umschreibe auch die Art, wie Bernhard Egger seine Karriere angegangen ist. Diese begann am Inselspital Bern, wo er zwanzig Jahre lang tätig war und 2008 zum Titularprofessor ernannt wurde. Parallel dazu wagte er 2007 den Sprung über die Sense und wurde Chefarzt der Klinik für Allgemeine Chirurgie am HFR. 2012 wurde er auch zum Titularprofessor an der Universität Freiburg ernannt. 2019 schliesslich folgte die Ernennung zum ordentlichen Professor für Chirurgie – dem ersten überhaupt an der Universität Freiburg in dieser Disziplin. 

Seine Spezialgebiete waren lange Zeit komplexe Operationen an der Bauchspeicheldrüse und der Speiseröhre, wo er zu den besten seines Fachs zählt. Er beherrscht aber auch die intestinale und endokrinologische Chirurgie sowie minimalinvasive Eingriffe. Damit gehört er zur Generation von Chirurgen, die noch eine sehr breite Erfahrung mit unterschiedlichen Operationstechniken haben. Die zunehmende Spezialisierung lässt das heute immer weniger zu. In seiner Zeit am HFR baute er die Lehre und Forschung auf universitärem Niveau auf und war damit mit seinem Team, das er selbst zusammengestellt hatte, sehr erfolgreich: Das HFR kann sich heute ohne Weiteres mit den grossen Universitätsspitälern messen. 

«Chirurgie hat viel mit Vertrauen zu tun. 50 Prozent des Erfolgs bringe ich, 50 Prozent die Patientinnen und Patienten», sagt Bernhard Egger. «Auch die Patientin bzw. der Patient muss 100-prozentig davon überzeugt sein, dass sich der Eingriff lohnt, und mir als Arzt Vertrauen entgegenbringen. Das Vertrauen ist aber gegenseitig, denn auch ich muss der Patientin, dem Patienten vertrauen können. Es ist also eine Teamarbeit. Dies sorgt für eine gegenseitige Motivation, welche auch das Spitalteam und das Team der Patienten – Familie und Angehörige – mit einschliesst.» Bernhard Egger lässt sich gerne auf die Menschen ein, seien es die Patientinnen und Patienten oder die Mitarbeitenden. 

Der Chefarzt wird als ganzheitlich agierende Person beschrieben, die vielfältige Fähigkeiten und Eigenschaften in sich vereint. Er selbst bezeichnet sich freimütig als «getrieben» und ist bekannt dafür, dass die Abläufe bei Operationen und Rapporten nach strengen Regeln abzulaufen haben und dass er von sich selbst und anderen viel fordert. Gleichzeitig ist sein Führungsstil locker, er hat stets offene Türen und vieles wird rund um die Kaffeemaschine geregelt. 

Als junger Mann faszinierten ihn die deutsche Literatur und der menschliche Körper gleichermassen und er zog sowohl ein Germanistik- als auch ein Medizinstudium in Betracht. Vielleicht leben diese beiden Seiten bis heute in ihm fort. Seine Ganzheitlichkeit zeigt sich auch darin, dass er sich immer wieder über sein Fachgebiet hinaus für die Medizin engagiert. Er ist Vizepräsident der FMCH und Mitautor des «Schweizer Medizin Eids», einer Bewegung, welche der zunehmenden Ökonomisierung der Medizin, die ihm grosse Sorge bereitet, etwas entgegenstellen will. Er lobt in diesem Zusammenhang das HFR, wo Chirurgie auf hohem Niveau, aber ausschliesslich im Interesse der Patientinnen und Patienten praktiziert wird.
Auf seinen grössten beruflichen Erfolg angesprochen, erwähnt Bernhard Egger – etwas überraschend angesichts seines langen Leistungsausweises – die allerletzte Weihnachtsfeier mit seinem treuen Team, wo er sich wie inmitten einer grossen Familie fühlte, und die Dankbarkeit, die einzelne Patientinnen und Patienten teils auch noch Jahrzehnte nach ihrer Behandlung zum Ausdruck bringen. 

Gab es denn auch Schwierigkeiten zu meistern? Der eloquente Professor wird wortkarg. Er kann sich beim besten Willen nicht an grössere berufliche Schwierigkeiten erinnern. «Vieles ergab sich wie von selbst, und ich habe das Geschenk meiner Begabung immer als Verpflichtung angesehen, etwas daraus zu machen», meint er schliesslich. 

Das Foto, das seinen Chef laut einem langjährigen Mitarbeiter am besten charakterisiert, zeigt ihn auf dem Gelände-Motorrad. Diesem abenteuerlichen Hobby wird Bernhard Egger bald intensiver nachgehen können. In Marrakech hat er ein Hotel im traditionellen Riadstil aufgebaut, dessen Einnahmen teilweise auch in ein benachbartes Kinderdorf der Stiftung Atlas Kinder fliessen. Er will künftig auch Wüstentouren für Hotelgäste sowie ärztliche Konsultationen und kleinere medizinische Eingriffe im Kinderdorf anbieten. Schon jetzt frischt er das diesbezügliche Wissen zusammen mit der Kinderchirurgin seines Teams auf. «Aber die grossen Operationen gehören der Vergangenheit an.»