PD Dr. med. Magnusson legt seinen weissen Kittel ab
Ende April legt PD Dr. med. Lennart Magnusson, Klinikchefarzt der Anästhesie, seinen weissen Kittel ab. Seine Nachfolgerin ist Dr. med. Corinne Grandjean. Rückblick auf eine vierzigjährige Karriere, deren Intensität er genossen hat, sowohl in den erlebten Situationen als auch im Miteinander mit den Nachwuchskräften.
Warum haben Sie sich für dieses Fachgebiet entschieden?
Ursprünglich wollte ich Innere Medizin studieren, aber Akutsituationen mochte ich schon immer. Während meines Studiums in Lausanne habe ich mich zum Pflegehelfer ausbilden lassen, um auf der Intensivstation des CHUV Nachtschichten schieben zu können. Das war toll. Daher habe ich in meine Ausbildung zum Internisten ein Jahr Anästhesie eingeschoben, um mir das Wissen anzueignen, das es für die Bewältigung von Akutsituationen braucht. Das hat mir so gut gefallen, dass ich diesem Fachgebiet treu geblieben bin.
Im zweiten Jahr am CHUV – damals war ich frischgebackener Assistenzarzt – habe ich sechs Monate lang auf der Intensivstation gearbeitet. Wir Assistenzärzte der Intensivstation waren es auch, die von der Rega aufgeboten werden konnten. Heute ist das anders. Wir wurden gerufen, mussten uns schnell umziehen und aufs Dach steigen, wo uns der Hubschrauber für einen Einsatz abholte. Das war eine unglaubliche Zeit. Noch heute entscheiden sich manche für die Anästhesie, um Rega-Einsätze fliegen zu können – eine intensive, spannende Arbeit.
Wie sind Sie ans HFR gekommen?
1990 war ich Assistenzarzt am CHUV und schon etwas erfahrener. Da habe ich für ein Jahr ans HFR gewechselt, wo ich als Oberarzt mit Dr. med. Schwander arbeitete. Mir gefiel die überschaubare Spitalstruktur, die jedoch immer noch gross genug war für eine grosse Bandbreite an Fällen. Als Dr. med. Delachaux 2009 in den Ruhestand ging, hatte ich das Glück, ihre Nachfolge anzutreten und Chefarzt zu werden.
Was war Ihnen während Ihrer Karriere wichtig?
Vieles, insbesondere das Lehren. Aber etwas muss ich erwähnen, das mich schon sehr erstaunt hat: die patriarchalen Strukturen und die damit verbundene Benachteiligung der Frauen. Das Chefärzte-Kollegium bestand aus 25 Männern und gerade mal zwei Frauen! Weil mich das so störte, versuchte ich, ein Gremium ins Leben zu rufen, das die Frauen im Spital fördern sollte. Um meine Kollegen zu überzeugen, erklärte ich ihnen unter anderem, dass 60 Prozent der Studienabgängerinnen und ‑abgänger Frauen sind. Wenn die leitenden Ärzte und vor allem die Chefärzte ausschliesslich Männer sind, entgehen uns dann nicht hervorragende Chefärztinnen und Professorinnen? Doch leider hatte ich nicht die Mittel, um mein Anliegen weiter voranzutreiben. Aber in meiner Klinik habe ich mich sehr für die Frauenförderung eingesetzt.
Sind das Ihre schwedischen Wurzeln, die durchschlagen?
Es ist wohl eher das Erbe meiner Mutter, einer Dänin. In den 1940er-Jahren gehörte sie zu den ersten Ingenieurinnen Kopenhagens. Chancengleichheit war bei uns zu Hause immer ein grosses Thema. Ich persönlich sehe zwar absolut kein Problem darin, eine Familie zu gründen und gleichzeitig Karriere zu machen. Aber die Gesellschaft ist in dieser Hinsicht sehr träge. Und so sind es noch immer die Mütter, die ihre Karriere opfern müssen, vor allem weil es an Betreuungsplätzen fehlt ... Es gibt noch viel, wofür wir kämpfen müssen!
Sie haben die Lehrtätigkeit angesprochen. Diese hat in Ihrer Karriere eine zentrale Rolle gespielt.
In unserer Klinik arbeiten derzeit 16 Assistenzärztinnen und -ärzte, von denen 13 die Ausbildung zur Anästhesistin bzw. zum Anästhesisten absolvieren. Zudem gibt es immer fünf oder sechs Pflegefachfrauen, die sich in Anästhesiepflege weiterbilden. In diesen praxisbezogenen Ausbildungen lernt man, wie man einen Patienten oder eine Patientin versorgt, wie man Empfehlungen abgibt und wie man sie umsetzt. Man realisiert auch, dass Menschen sich nicht auf ein paar Algorithmen aus einem Buch reduzieren lassen.
Ich mag es, meine Leute zum Mitdenken zu zwingen. Während ihrer Ausbildung lernen sie meistens «Rezepte». Diese sind zwar eine wichtige Basis – aber es gibt viele Möglichkeiten, das Richtige zu tun. Mit zunehmender Erfahrung kann man offener werden. So werden sie an dem Tag, an dem sie eine sehr anspruchsvolle Patientin oder einen sehr komplizierten Patienten haben, ihr oder ihm viel mehr zu bieten haben.
Gibt es etwas, das Sie bereuen?
Das meiste, was ich mache, tue ich gerne. Deshalb finde ich es schade, dass es jetzt zu Ende ist. Aber ich werde mich zu beschäftigen wissen, insbesondere mit ehrenamtlicher Arbeit im humanitären Bereich.