Forschung zum Mikrobiom: „Es muss nicht immer alles keimfrei sein“

Die Forschung am menschlichen Mikrobiom hat in den letzten Jahren verblüffende Zusammenhänge aufgezeigt. So beeinflusst die Art der Geburt das Mikrobiom. Eine Studie am freiburger spital (HFR) unter der Leitung von PD Dr. med. Petra Zimmermann will nun mehr zur Gabe von Antibiotika bei der Geburt und dem Mikrobiom bei Kindern herausfinden. Das Potenzial der Forschung für die klinische Anwendung ist gross.

Einige der Neugeborenen am freiburger spital (HFR) sind schon von Geburt an kleine Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sie nehmen gemeinsam mit ihren Müttern an einer Studie der Universität Freiburg teil, die das Mikrobiom im Blick hat. Nebst dem HFR mit den Abteilungen Geburtshilfe und Pädiatrie machen auch das Daler-Spital und das Geburtshaus „Petit Prince“ mit. „Die Forschung hat in den letzten Jahren eindrücklich gezeigt, wie wichtig das Mikrobiom für die Gesundheit ist“, sagt Studienleiterin Petra Zimmermann, Lehr- und Forschungsrätin an der Universität Freiburg und Stellvertretende Chefärztin Pädiatrie am HFR. „Das Immunsystem, die Haut, Allergien, ja sogar die Stimmung kann davon beeinflusst werden.“ Unter Mikrobiom versteht man alle Mikroorganismen (z. B. Bakterien und Pilze), die in und auf dem menschlichen Körper leben. Sie leben im Darm, auf der Haut, in den Atemwegen und der Muttermilch. Diese unsichtbaren Helfer sind für unsere Gesundheit entscheidend.

Kaiserschnitt macht anfälliger für Allergien und Asthma

Zimmermann und ihr Team wollen mehr darüber wissen, wie sich die Gabe von Antibiotika unter der Geburt und in den ersten beiden Lebensjahren auf das Mikrobiom auswirkt. Verändert sich das Mikrobiom des Kindes? Hat dies später einen Einfluss auf Allergien und anderen Krankheiten? Während zweier Jahre haben sie an 400 Mutter-Kind-Paaren regelmässig Proben aus dem Stuhl, der Muttermilch und dem Mund entnommen. Für Mutter und Kind sind diese Proben harmlos.

Bereits bekannt ist, dass die Geburt einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms beim Kind hat. Bei einer natürlichen Geburt siedeln sich v. a. Bakterien aus Vagina und Darm der Mutter im Darm des Neugeborenen an, bei einem Kaiserschnitt eher Bakterien von der mütterlichen Haut. Dies ist äusserst wichtig, weil das Immunsystem des Neugeborenen mit diesen Bakterien im Darm trainiert wird. Dies kann später die Anfälligkeit für Allergien und Asthma beeinflussen. Die Schlussfolgerung ist klar: „Eine natürliche Geburt ist vorzuziehen, es muss nicht immer alles keimfrei sein.“

Zum Mikrobiom Sorge tragen

„Als ich vor Jahren angefragt wurde, ob ich zum Mikrobiom forschen möchte, dachte ich als Erstes, ich wolle mit diesem Hype nichts zu tun haben“, erzählt Zimmermann, „doch bald erkannte ich das Potenzial dieser Forschung.“ Grund dafür sind neue Sequenzierungsmethoden, die es erlauben, die genetische Zusammensetzung der Mikroorganismen schneller und genauer zu entschlüsseln. So kann das Mikrobiom eines Menschen mit seinem Gesundheitszustand verglichen werden, woraus man wissenschaftliche Schlussfolgerungen ziehen kann.

Der grösste Feind des Mikrobioms sind Antibiotika. Diese zerstören leider nicht nur krankmachende Bakterien, sondern auch viele gute Helfer im Mikrobiom. Studien zeigen, dass Antibiotika auch sechs Jahre nach der Einnahme noch einen Effekt auf das Mikrobiom haben. Krankmachende Bakterien reagieren auf Antibiotika zudem mit Anpassungen und können häufig resistent werden. Wie Studien von Zimmermann zeigen, werden diese Resistenzen an die nachfolgende Generation weitergegeben, über die Muttermilch und über Körperkontakt. Dies macht ihr Sorgen, denn durch solche Resistenzen werden Antibiotika zunehmend wirkungslos. Schon heute gehören Infektionen, die wegen Antibiotikaresistenzen nicht behandelt werden können, zu den Top Ten der Todesursachen weltweit. Zimmermann mahnt deshalb an, Antibiotika restriktiv einzusetzen.

Die Vision des HFR-Forschungsteams ist, nicht nur die Wirkungsweise des Mikrobioms zu untersuchen, sondern auch Möglichkeiten zu entwickeln, dieses gezielt zu beeinflussen. Nach einer Antibiotikatherapie oder bei Neugeborenen nach einem Kaiserschnitt könnte so das Mikrobiom gestärkt werden. Im Idealfall tragen die kleinen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am HFR zur Entwicklung solcher Therapien bei.

Mikrobiom

Unter Mikrobiom versteht man alle Mikroorganismen, die in und auf dem menschlichen Körper leben. Das sind vor allem Bakterien, aber auch Pilze und Viren. Sie finden sich im Darm, auf der Haut, in den Atemwegen und in der Muttermilch. Diese Organismen erfüllen wichtige Funktionen und sind für den Menschen lebensnotwendig.

Gensequenzierung

Neue Methoden erlauben es, grosse Mengen an Erbgut auf einmal zu entschlüsseln. So kann bildlich gesprochen aus der Suppe des Mikrobioms ein Schöpflöffel entnommen und auf einmal entschlüsselt werden. Die Zutaten der Mikrobiom-Suppe, also die verschiedenen Mikroorganismen, können so einzeln aufgelistet werden.

Nationale Forschung

Das HFR ist Mitglied bei SwissPedNet – dem Schweizer Netzwerk der pädiatrischen Forschungszentren. Somit können Kinder an landesweiten Studien mit neuen Therapien teilnehmen.

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