Ethik: an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Menschlichkeit
Die Möglichkeiten der Medizin können im Spitalalltag schwierige Fragen aufwerfen. Das engagierte interdisziplinäre Team des Klinischen Ethikrats gibt darauf keine Antworten, sondern lädt zum Nachdenken ein.
Kaum jemand möchte den medizinischen Fortschritt missen, der uns nach Unfällen wieder auf die Beine bringt, unsere Lebenserwartung erhöht hat und es uns erlaubt, auch mit chronischen Krankheiten ein aktives Leben zu führen. Am freiburger spital (HFR) setzen sich Forschende verschiedener Disziplinen täglich dafür ein, dass dieser Fortschritt weitergeht.
Aber manchmal hat der medizinische Fortschritt eine Kehrseite. Er kann nicht nur das Leben verlängern, sondern auch das Leiden. Dann stellen sich neue Fragen: Wie weit darf die Medizin gehen? Macht eine Behandlung noch Sinn? Oder sollten wir sie besser einstellen?
Für genau diese Fragen gibt es am HFR den Klinischen Ethikrat, der von Dr. med. Cristian Antonescu, Präsident und stellvertretender Klinikchefarzt Nuklearmedizin, und Didier Maillard, Vizepräsident und Radiologiefachmann, koordiniert wird. Der Ethikrat bietet eine Plattform für den interdisziplinären Austausch, trifft aber keine Entscheidungen. Die 13 Mitglieder – auch das eine Besonderheit – sind in eigenem Namen gewählt, nicht aufgrund ihrer beruflichen Funktion: Es sind dies Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, des Pflegepersonals, der Seelsorge und des Verwaltungspersonals des HFR sowie ein niedergelassener Arzt, ein externer Jurist und eine Bürgerin des Kantons Freiburg. Somit ist sichergestellt, dass jede Stimme gleich viel zählt. So können sich Patientinnen und Patienten, Angehörige sowie Ärzte- und Pflegeteams an den Ethikrat wenden.
„In Situationen, die ethische Überlegungen erfordern, achten wir darauf, dass die Rechte der Patientinnen und Patienten gewahrt werden und dass die Gesamtversorgung am HFR gewährleistet ist“, fasst Cristian Antonescu den Auftrag zusammen.
Konkret hat der Ethikrat zwei Aufgaben: Zum einen verfasst er Empfehlungen, z. B. zur Suizidbeihilfe, zum anderen tauscht er sich direkt mit den Patientinnen und Patienten aus. Bei Bedarf analysieren die Mitglieder des Ethikrates die Situation vor Ort, bevor sie ihre Einschätzung abgeben. Es geht darum, die Lebensgeschichte der Person zu verstehen und, wenn möglich, im Gespräch mit ihr oder mit den Angehörigen und den Ärztinnen und Ärzten ihren Willen zu erkennen. Diesen Willen hat der Ethikrat denn auch zu respektieren, unabhängig davon, ob er bedeutet, eine Person mit allen möglichen medizinischen Mitteln am Leben zu erhalten, oder im Gegenteil die Massnahmen einzustellen. „Jeder Fall ist einzigartig“, sagt Didier Maillard, „denn mit dem Leiden ist immer auch eine Lebens- und Familiengeschichte verbunden. Das treibt uns an, für jede Situation eine tragfähige Lösung zu finden.“
Grundlage dieser Zusammenarbeit im Ethikrat ist die Beziehung zueinander, der gute Wille. Dank dieser Basis ist es bisher immer gelungen, zu einem Konsens zu kommen. „Bei uns muss sich niemand profilieren“, beschreibt Cristian Antonescu die Stimmung, „Der Ethikrat ist mehr als die Summe von uns allen.“