Medikamente: alles im Griff!

Viele ältere Menschen benötigen gleichzeitig mehrere Medikamente, um ihre unterschiedlichen Leiden zu behandeln. Ein Spitalaufenthalt ist eine gute Gelegenheit, die Medikamentenliste zu überprüfen und wenn nötig zu bereinigen. Wie das abläuft, zeigt Christophe Rossier, Apotheker, am HFR Riaz. Reportage.

„Dieser Patientin sollten Sie Tavanic mittags verschreiben, da sie morgens Eisen einnimmt und es eine Wechselwirkung gibt.“ Jeden zweiten Montag nimmt Christoph Rossier, klinischer Pharmazeut am freiburger spital (HFR), die Hälfte der 32 Patientendossiers der Geriatrie am Standort Riaz unter die Lupe. Danach nimmt er an der Visite teil, gemeinsam mit der Abteilungsärztin oder dem Abteilungsarzt, der Assistenzärztin oder dem Assistenzarzt und der zuständigen Pflegefachperson. Auch hier gibt er Empfehlungen ab, wie sich die medikamentöse Behandlung verbessern liesse. Dabei ist er nicht allein: Eine Apothekerkollegin tut dasselbe am HFR Tafers und ein Kollege in der Palliative Care. Neben der Geriatrie in Riaz betreut Christophe Rossier auch die Neurorehabilitation am Standort Meyriez-Murten.

Die Polymedikation, wie die parallele Einnahme von mindestens fünf Medikamenten pro Tag auch genannt wird, ist bei Seniorinnen und Senioren weit verbreitet: Bei den 69- bis 74-Jährigen betrifft sie jede fünfte Person, ab 85 Jahren gar jede zweite. Medikamente einzunehmen, ist nicht an sich schlecht; schliesslich können sie die Lebensqualität verbessern oder die Sterblichkeit senken. Jedoch muss immer wieder überprüft werden, ob die verschriebenen Arzneimittel ihren Zweck nach wie vor erfüllen. Denn Medikationsfehler können dramatische Folgen haben, zum Beispiel das geriatrische Syndrom (Verwirrtheit, Stürze), wiederholte Spitalaufenthalte, Todesfälle usw. Ausserdem kann es zu Verschreibungskaskaden kommen, wenn unerwünschte Nebenwirkungen eines Medikaments als neue Erkrankung fehlinterpretiert werden und man dagegen ein neues Arzneimittel verschreibt.

„Braucht er das überhaupt noch?“
Zurück ins HFR Riaz: Christophe Rossier prüft für jedes eingenommene Medikament die Dosierung, die möglichen Wechselwirkungen, die verschriebene Einnahmedauer, die irrtümliche Einnahme identischer Wirkstoffe, die Art und den Zeitpunkt der Einnahme, die Gültigkeit der Verordnung und die Kosten. „Ein Medikament kann eine Zeitlang durchaus sinnvoll sein, später aber problematisch werden, wenn weitere Arzneimittel hinzukommen oder sich der Gesundheitszustand der Person verändert“, so der Apotheker.

Nun möchte Christophe Rossier wissen, warum ein bestimmter Patient Aspirin nehmen muss: „Braucht er das überhaupt noch?“ Das Team schaut im Dossier nach und streicht das Medikament schliesslich von der Liste – immerhin eines! Im nächsten Zimmer empfiehlt er, der Patientin weniger Citalopram zu geben: „Die empfohlene Höchstdosis in der Geriatrie liegt bei 20 mg/Tag und sie nimmt 40 mg.“ Später auf dem Rundgang wird er das Team noch daran erinnern, dass „Lipanthyl bei einer stark beeinträchtigten Nierenfunktion kontraindiziert ist.“

Kurz gesagt: „Eine Verschreibung muss dann angepasst werden, wenn die Risiken grösser sind als der Nutzen. Dann wird das Medikament entweder abgesetzt, durch ein sichereres Arzneimittel ersetzt oder die Dosis wird reduziert.“ Um das Spitalpersonal bei der Beurteilung und Lösung von Medikationsproblemen zu unterstützen, hat Christophe Rossier an einem entsprechenden Leitfaden mitgewirkt.

Gut versorgt trotz Engpässen
Nach der Visite bespricht sich Christophe Rossier mit der Pharma-Assistentin. In Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen des Arzneimittelkreislaufs und den Pharma-Assistentinnen und -Assistenten kümmert er sich auch darum, dass die Versorgung mit Arzneimitteln gewährleistet ist: „Bei den Medikamentenbestellungen leisten sie grossartige Arbeit, gerade, wenn man die aktuellen Engpässe bedenkt!“

 

 

 

um mehr zu erfahren, hören Sie den Podcast des Freiburger Spitals
(nur auf Französisch).

Tipps vom Profi

Weil die Menschen immer älter werden, nehmen Mehrfacherkrankungen zu. Eine Polymedikation lässt sich daher nicht immer umgehen. Das elektronische Patientendossier verspricht eine bessere Koordination zwischen den verschiedenen Beteiligten. Bis es eingeführt ist, hat HFR-Apotheker Christophe Rossier ein paar Tipps:

„Sprechen Sie das Thema an, sobald Ihnen ein neues Medikament verschrieben wird. Fragen Sie nach, weshalb Sie es einnehmen müssen, wann die Einnahme neu beurteilt wird, welche unerwünschten Nebenwirkungen auftreten können und was geschieht, wenn Sie das Medikament von einem Tag auf den anderen absetzen. Klären Sie all dies mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt ab, bevor Sie das Medikament in Ihre tägliche Behandlung aufnehmen.

Auch die öffentlichen Apotheken sind gute Ansprechpartner. Wenn Sie Ihre Medikamente immer in derselben Apotheke kaufen, erhält das Personal einen Überblick über Ihre gesamte Medikation. Das hilft ihm, bei Rezepten genauer hinzusehen.“ Fazit? „Das beste Medikament ist jenes, das man nimmt, wenn es nützt, und nicht mehr nimmt, wenn es nicht mehr nützt.“

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