Alles eine Frage des Stil(len)s

Die perfekte Mutter stillt – oder doch nicht? Über diese «natürlichste aller Ernährungsweisen» kursieren diverse Vorurteile und Fehlinformationen. Wir nehmen die diesjährige Weltstillwoche zum Anlass, um mit den HFR-Stillberaterinnen, Carole Genoud-Vienne und Nuala Gregory-Crawley, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Mütter, die nicht stillen möchten, müssen ein schlechtes Gewissen haben.
Falsch.
Wir verurteilen niemanden und respektieren diese Entscheidung. Man muss jedoch wissen, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, das Baby sechs Monate lang ausschliesslich zu stillen und danach bis zu zwei Jahren oder länger weiterzustillen. Es ist unsere Aufgabe, diese Frauen umfassend zu informieren, damit sie ihre Entscheidung aufgeklärt treffen können. Denn oft liegt der negative Stillwunsch in Fehlinformationen oder schlechten Erfahrungen begründet.

Alle Frauen können stillen.
Richtig.
Grundsätzlich können alle Frauen stillen, ausser sie unterziehen sich einer Behandlung, die nicht mit dem Stillen vereinbar ist, oder es besteht ein anatomisches oder physiologisches Problem, zum Beispiel fehlende Milchdrüsen. Sonst sind alle Mütter in der Lage, zu stillen, egal wie ihre Brüste und Brustwarzen beschaffen sind. Auch mit Brustimplantaten oder nach einer Brustverkleinerung ist Stillen möglich. Allenfalls ist eine Zwiemilchernährung, also die Kombination aus Mutter- und Pulvermilch, angezeigt.

Wenn das Stillen im Spital nicht klappt, ist der Zug abgefahren.
Falsch.
Die ersten Tage nach der Geburt sind zwar wichtig, aber fürs Stillen ist es nie zu spät. Obwohl es natürlicher Vorgang ist, dauert es manchmal eine Weile, bis sich alles eingependelt hat. Bei einem gesunden, termingeborenen Baby hat man diese Zeit, weil es genügend Reserven hat. Schon im Gebärsaal wird alles dafür getan, gute Voraussetzungen für das Stillen zu schaffen. Dies beginnt mit dem «Haut-zu-Haut-Kontakt», der sowohl mit der Mutter wie mit dem Vater erfolgen kann und insbesondere nach Kaiserschnitten wichtig ist. Danach gibt es das Rooming-in, bei dem das Baby rund um die Uhr bei der Mutter ist. Alle von uns geschulten Teams sind dazu da, die Mütter, Väter und Babys in diesen kostbaren Momenten zu begleiten und zu unterstützen. In jedem Fall braucht es jedoch Geduld und die Bereitschaft, sich dem Rhythmus des Babys anzupassen.

Nach dem Spitalaustritt sind die Mütter beim Stillen auf sich allein gestellt.
Falsch.
Man ist nie allein. Nach dem Austritt werden die Mütter von einer Wochenbetthebamme betreut. Auch während der Stillzeit und beim Abstillen können sie sich an ihre Hebamme wenden, einen Termin mit der Stillberaterin vereinbaren oder die Geburtenabteilung anrufen. Wir sind telefonisch immer erreichbar und werden auch oft kontaktiert. Weiter gibt es die Elternberatungen und verschiedene Verbände. Die Hauptrolle spielen jedoch die Väter: Sie haben einen grossen Einfluss darauf, ob und wie lange eine Frau stillt – fehlt die Unterstützung von ihrer Seite, stillen Mütter eher ab.

Ansprechpersonen und Ausbildnerinnen

Carole Genoud-Vienne und Nuala Gregory-Crawley sind ausgebildete Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC (International Board Certified Lactation Consultant). Die Pflegefachfrau und die Hebamme haben für die Zertifizierung eine spezielle Weiterbildung absolviert, die sie zu Ansprechpersonen für das Team und die gesamte Klinik macht. Daneben geben sie Schulungen und besuchen die Fortbildungen, die sie benötigen, um ihre Zertifizierung alle fünf Jahre zu erneuern.

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