Die Suche nach einer wirksamen Therapie
Das Gesundheitswesen macht mobil: Auf der ganzen Welt wird derzeit fieberhaft nach einer wirksamen Therapie gegen das Coronavirus gesucht. Auch das HFR trägt seinen Teil dazu bei.
Mit der raschen Ausbreitung der Coronavirus-Epidemie in der westlichen Welt wurde die Suche nach einer Therapie für die betroffenen Patienten zur Priorität. Dr. med. Véronique Erard, Leitende Ärztin und Spezialistin für Infektiologie am HFR, blickt zurück: «Am 1. März wurde der erste COVID-19-Fall im Kanton Freiburg bestätigt. Weitere folgten rasch. Angesichts des Krankheitsbildes und des zuweilen dramatischen Verlaufs bei hospitalisierten COVID-19-Patienten durften wir nichts unversucht lassen, obwohl es sich um ein Virus handelte, dessen Verhalten uns völlig unbekannt war.»
Zu den Wirkstoffen, die für die Therapie in Betracht gezogen wurden, gehörten Hydroxychloroquin, ein Malariamittel, sowie die antiretroviralen Arzneimittel Lopinavir und Ritonavir, die zur Behandlung von HIV-Infektionen eingesetzt werden. «Die potenziell antivirale Wirkung dieser Substanzen und Erfahrungen aus ihrer Verwendung in China, Italien und Frankreich legten deren Einsatz bei Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion nahe. Auch sind die Nebenwirkungen sowohl bei Hydroxychloroquin wie bei den antiretroviralen Medikamenten bekannt; beide werden in unserem Fachbereich seit vielen Jahren eingesetzt. Wir haben daher in enger Zusammenarbeit mit unseren Berufskollegen der Universitätsspitäler Lausanne und Genf beschlossen, diese Wirkstoffe an allen HFR-Standorten für die Behandlung von COVID-19-Patienten freizugeben», erläutert die Spezialistin.
Nicht ohne Zustimmung der Patienten
In der Folge wurde jede hospitalisierte Person, bei der mittels Abstrich eine Coronavirus-Infektion nachgewiesen oder mittels typischem Lungenröntgen stark vermutet wurde, von einem eigens zusammengestellten Ärzteteam beurteilt. Weil die Medikamente ausserhalb der von Swissmedic zugelassenen Indikation eingesetzt werden sollten, mussten die Patienten der Verabreichung erst zustimmen. «Bevor eine solche Therapie verabreicht wurde, haben wir in jedem Fall erst den Patienten darüber aufgeklärt und seine Zustimmung eingeholt. Nur wenige lehnten die Behandlung ab», erläutert Dr. med. Erard. Das neue Behandlungsprotokoll galt ab dem 10. März.
Die klinischen Versuche dauern bis heute an. Seit Ende April nimmt das HFR an der internationalen Studie «Solidarity» teil, die von der WHO in 35 Ländern durchgeführt wird. Getestet wird der Nutzen von fünf Therapien bzw. Wirkstoffkombinationen, die Hydroxychloroquin, Interferon, antiretrovirale Medikamente oder Remdesivir enthalten, das ursprünglich zur Behandlung bei Ebola eingesetzt wurde. «Das HFR stieg allerdings zu einem Zeitpunkt ein, an dem die Zahl der hospitalisierten COVID-19-Patienten deutlich abnahm. Bis heute (Anfang Juni, Anm. d. Red.) konnte noch kein Patient in die Studie aufgenommen werden», gibt Dr. med. Erard zu bedenken.
Viele offene Fragen
Die Ärztin will daher noch keine Bilanz zu den letzten Monaten ziehen. «Obwohl wir inzwischen viel über die neue Krankheit gelernt haben, sind nach wie vor viele Fragen offen, sowohl zur unmittelbaren und verzögerten Pathogenese des Virus wie zu seinen Auswirkungen auf Gesellschaft und Spitalwesen. Angesichts der gewaltigen Aufgabe, die sich uns stellte, hat unser kleines Team der Infektiologie und Spitalhygiene sein Bestes gegeben, auch dank der Hilfe und des Engagements zahlreicher Personen an allen Standorten des HFR.»