Die Zukunft der Geriatrie

Immer mehr ältere Patienten gehören zur Klientel des HFR, wo die Geriatrie weiter ausgebaut wird. Interview mit Dr. med. André Laszlo, Chefarzt der Klinik für Geriatrie des HFR.

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Dr. med. André Laszlo

Dr. med. André Laszlo

Was sind die Ursachen für die Überalterung der Bevölkerung? 

Zu demografischer Überalterung kommt es, wenn der Anteil alter Menschen in der Bevölkerung zunimmt. Hauptursachen sind die sinkende Geburtenrate und die längere Lebenserwartung. Bei der Generation der Babyboomer (geboren zwischen 1945 und 1965, Anm. d. Red.) erklärt sich diese erhöhte Langlebigkeit aus einer Reihe von Faktoren: Fortschritte im Gesundheitssystem, besserer Zugang zu medizinischer Versorgung, Verbesserung der Hygiene, Ernährung und Arbeitsbedingungen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Entwicklung in zwanzig, dreissig Jahren aufgrund der wachsenden Probleme mit Übergewicht, Bewegungsmangel und industriell gefertigter Nahrung in die umgekehrte Richtung geht. 

Welche Folgen hat diese demografische Entwicklung für das Gesundheitssystem im Allgemeinen und für das HFR? 

Sie bedeutet eine Herausforderung für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem. Auch wenn die ältere Bevölkerung immer gesünder ist, so macht sie einen immer grösseren Anteil der Patienten am HFR aus und bringt auch ihre ganz spezifischen Anforderungen an die medizinische Versorgung mit. Mehrere chronische Erkrankungen wie erhöhter Blutdruck, Knochen-Gelenk- Beschwerden, Diabetes, Krebs und Atemwegserkrankungen können zusammenkommen und bedürfen einer mehrschichtigen Patientenbetreuung. Dazu gesellen sich kognitive Beeinträchtigungen und neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer sowie die Einschränkung der Funktionsfähigkeit und die verminderte soziale Vernetzung. Bei einem älteren Menschen kann man körperliche Beschwerden nicht separat von sozialen oder kognitiven Aspekten betrachten. Alles hängt zusammen. Genau durch diese fachübergreifende und mehrschichtige Behandlung zeichnen sich die Altersmedizin und Gerontologie aus, ob im stationären oder ambulanten Bereich. 

Haben Sie ein Beispiel? 

Bei einem gesunden Erwachsenen führt eine Lungenentzündung nur selten zu Folgekomplikationen. Es wird einzig die Entzündung behandelt. Dieselbe Lungenentzündung muss natürlich wie bei jedem anderen Patienten auch bei einer älteren Person gezielt medizinisch behandelt werden. Liegen jedoch andere unterschwellige Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Diabetes vor, so führt die Lungenentzündung hier sicherlich zu einer Dekompensation. Ausserdem kann es durch die Lungenentzündung zu einem Sturz kommen und somit zu einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit. Und darum ist bei einem älteren Menschen, der schnell seine ganze Selbstständigkeit verlieren kann, ein stationärer Aufenthalt angebracht, obwohl das Krankheitsbild allein dafür nicht ausreichend wäre. Genau für solche Fälle braucht es spezifische Behandlungsstrukturen. 

Über welche Strukturen verfügt denn das HFR? 

Das HFR verfügt in Meyriez-Murten, Riaz und Tafers über eine Akutgeriatrie, die ältere, mehrfacherkrankte Personen betreut. Der Eintritt erfolgt meist nach einem Aufenthalt auf der Notfallstation, manchmal aber auch von einer anderen Abteilung, von zu Hause oder einer permanent betreuten Struktur aus. Wie erwähnt, bemühen wir uns um ein ganzheitliches Bild des Patienten. Jeder Standort mit Akutgeriatrie verfügt über eine geriatrische Rehabilitation (siehe S. 24). Diese Reha-Abteilungen wollen den älteren Patienten nach dem Spitalaufenthalt helfen, wieder möglichst mobil und selbstständig zu werden, damit sie wieder heimkehren können. Seit November bieten wir in Freiburg und Riaz zudem eine neue Onkogeriatrie-Sprechstunde an (siehe S. 18), um gemäss dem Allgemeinzustand des Patienten die beste Tumorbehandlung zu finden. An allen Standorten werden in der Sprechstunde Patienten mit Gedächtnisstörungen medizinisch und neuropsychologisch eingeschätzt. Zudem werden die Patienten und ihre Angehörigen dort falls nötig an die passende Betreuungsstruktur weiterverwiesen. Das HFR kann bei der Versorgung älterer Menschen also kantonsweit auf ein breites Leistungsangebot zurückgreifen. 

Wie sehen Sie die Zukunft der Geriatrie? 

Die Geriatrie wird dem demografischen Trend folgen und mit ihm wachsen müssen. Doch hinzu kommt eine soziale und politische Dimension: Welchen Platz will man der älteren Generation einräumen? Die Antwort darauf variiert von Land zu Land und dementsprechend unterscheidet sich auch die Bereitschaft, in die Behandlung dieser Patienten zu investieren. 

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