Eröffnung des neuen Kindernotfalls

Nach 30 Monaten umfassender Renovierungsarbeiten ist der Kindernotfall Ende August in grössere und vollständig neu gestaltete Räumlichkeiten gezogen. Der Umbau war nötig, um der stetig wachsenden Nachfrage Rechnung zu tragen. Interview mit Dr. med. Cosette Pharisa Rochat, Leitende Ärztin und Leiterin der Abteilung.

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Dr. med. Cosette Pharisa Rochat, Leitende Ärztin une Leiterin der Abteilung

Dr. med. Cosette Pharisa Rochat, Leitende Ärztin une Leiterin der Abteilung

Dr. Pharisa Rochat, stimmt es, dass der Kindernotfall am Ende seiner Kapazitäten angelangt war? 

Die Zahlen sprechen für sich: 2004 haben wir noch 4800 Fälle behandelt, 2012 waren es bereits 10’000 und 2018 schliesslich 17’000. Und der Aufwärtstrend geht weiter: In den ersten neun Monaten 2019 haben wir bereits eine Zunahme von rund 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Die neue Infrastruktur kommt daher genau zum richtigen Zeitpunkt. 

Nach welchen Kriterien wurden die neuen Räumlichkeiten gestaltet? 

Im Laufe der Jahre ist die Abteilung Kindernotfall unkoordiniert und auf kleinstem verfügbarem Raum gewachsen. Mit den neuen Räumlichkeiten konnte das Ergonomiekonzept  von Grund auf neu überdacht werden. Neu befindet sich der Kindernotfall zwischen dem Erwachsenennotfall und der Klinik für Pädiatrie, also in idealer Lage. Der Zugang erfolgt über den Haupteingang der Notaufnahme für Erwachsene, mit der wir wichtige Synergien entwickeln konnten, insbesondere in den Bereichen Röntgen und Reanimation. Was die Einrichtung und Dekoration betrifft, haben wir uns auf die integrative Pädiatrie gestützt und die Farben, Formen und Materialien so ausgewählt, dass sie das Wohlbefinden der Patienten und Angehörigen fördern. 

Und die Funktionsweise? 

Da wir in unseren ehemaligen Räumlichkeiten so wenig Platz hatten, mussten das Pflegepersonal und die Ärzte wortwörtlich eng zusammenarbeiten. Uns war es wichtig, eine flexible, direkte und vielseitige Organisation zu behalten, bei der die Ärzte nahe an der Triage sind und so möglichst früh mitwirken können. Natürlich sind die Arbeitsbedingungen nun viel besser als vorher. Wir haben mehr als doppelt so viel Platz (Anm. d. R.: 385 statt 185 m2) und verfügen über zehn statt sechs Triage- und Behandlungsräume. Wir freuen uns ausserdem sehr, dass der Kindernotfall neu über ein eigenes Pflegeteam verfügt (siehe Kasten). 

Ein eigenes, verstärktes Pflegeteam

Die Eröffnung des neuen Kindernotfalls Ende August brachte auch wichtige organisatorische Änderungen im Pflegeteam mit sich: «Bisher rotierten die Pflegenden zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor sowie dem Kindernotfall. Letzterer verfügt nunmehr über ein eigenes Team, das ausserdem auf 15 Vollzeitäquivalente aufgestockt wurde», erklärt Stationsleiterin Kristel Maffli. Das Ziel ist klar: die Kompetenzen im Bereich der pädiatrischen Notfallpflege zu verbessern, insbesondere durch die Förderung der kontinuierlichen Weiterbildung. Eine weitere Neuerung betrifft die Spezialisierung der Triage-Pflegefachperson, welche die Patienten empfängt und weiterverweist. «Danach wird die Betreuung nach Möglichkeit von der gleichen Person weitergeführt, also vom Anfang bis zum Ende des Behandlungsprozesses.» 

Worin unterscheidet sich der Kinder- vom Erwachsenennotfall – abgesehen vom Alter der Patienten? 

Wir haben eine eigene Triage-Skala für die Pädiatrie, die aus fünf statt vier Stufen besteht. Ansonsten funktionieren wir sehr ähnlich. Egal ob für Erwachsene oder für Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 16 Jahren, was die Notaufnahme auszeichnet, ist ihre grosse Interdisziplinarität. Wir arbeiten täglich mit Orthopäden, HNOSpezialisten, Radiologen, Chirurgen oder Anästhesisten zusammen. Was die Krankheitsbilder angeht, so haben wir im Kindernotfall hauptsächlich mit Patienten zu tun, die im Allgemeinen gesund sind, aber an akuten Erkrankungen wie Infektionen oder Verletzungen leiden. Im Erwachsenennotfall hingegen bilden Schlaganfallpatienten sowie Patienten mit Mehrfacherkrankungen – aufgrund des fortgeschrittenen Alters – einen Grossteil der behandelten Fälle. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir oftmals die ganze Familie mitbetreuen. Die Kinder werden natürlich von ihren Eltern, häufig aber auch von den Geschwistern begleitet. Unser Wartezimmer ist daher gross und bietet auch genügend Platz für Kinderwagen. Die Eltern können ausserdem Schoppen oder Brei aufwärmen, während unsere jungen Patienten spielen oder sich sonst die Zeit vertreiben. Dabei können wir auf die Unterstützung des Vereins 38.5 zählen (siehe Kasten). 

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Ein kleines Bub wird gerade durch eine Ärztin betreut

Eine weitere Besonderheit ist die Partnerschaft mit den niedergelassenen Kinderärzten des Kantons im Bereitschaftsdienst ... 

Absolut! Rund 30 in Praxen tätige Kinderärzte stellen den Bereitschaftsdienst sicher, der sich innerhalb des Kindernotfalls befindet. Dieser Dienst ist an Wochenenden und Feiertagen in der Regel zwischen 12 und 20 Uhr geöffnet und übernimmt einige der Patienten, die für allgemeine pädiatrische Untersuchungen in die Notaufnahme kommen. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Zusammenarbeit, die seit 2016 besteht und von der beide Seiten profitieren. 

Welche Bilanz ziehen Sie zur Kids- Hotline, die seit November 2015 die Eltern kranker Kinder berät? 

Dass dieser Dienst kostet (2,99 Franken pro Minute), sorgte bei der Lancierung für einigen Unmut. Die Hotline hat ihr Ziel, den Kindernotfall zu entlasten, aber klar erfüllt. In zwei von drei Fällen reicht es aus, wenn die gut informierten Eltern ihr krankes Kind selbst behandeln. Der Gang in die Notaufnahme und die Konsultation durch einen Arzt ist dann oftmals nicht nötig. Wir tauschen uns regelmässig mit der Gesellschaft Medi24 aus, die diesen telefonischen Bereitschaftsdienst anbietet. Sowohl die Algorithmen als auch die Qualitätskontrolle sind sehr fortschrittlich. Einen solchen Dienst intern einzurichten, hätte enorme Ressourcen erfordert. Da wir nun nicht mehr von Anrufen unterbrochen werden, können wir sehr viel effizienter arbeiten. 

Spass im Spital

Hospitalisierte Kinder bestmöglich vorbereiten und betreuen: So lautet der Hauptauftrag des Freiburger Vereins «38.5», der seit 2014 tätig ist. «Wir beteiligen uns an Veranstaltungen für Kinder, wie dem Teddybär- Spital, und entwickeln spielerische Methoden, damit die Kinder Spass haben und die Spitalumgebung besser kennenlernen », erklärt Maya Dougoud, Präsidentin des Vereins. Seit Sommer 2019 stellt der aus Freiwilligen bestehende Verein auch Spiele und Bücher für das Wartezimmer des Kindernotfalls am HFR Freiburg – Kantonsspital zur Verfügung. Eine nicht immer einfache Aufgabe … «Wir sammeln die Bücher bei privaten Spendern und müssen regelmässig Material reparieren oder ersetzen. Im Kindernotfall werden die Sachen so intensiv bespielt, dass ihre Lebensdauer meist nicht länger als zwei Wochen beträgt.» Kleine Anekdote zum Schluss: Auf Anweisung des Kantonschemikers und des Verantwortlichen für Neuanschaffungen der KUB kommen keine Bücher von vor 1979 ins Spital. Der Grund? Die Tinte oder andere Bestandteile könnten gesundheitsschädigend sein.