Wenn die Dialyse zum Alltag wird

Tosho Milchevski kommt seit fast fünf Jahren dreimal pro Woche ans HFR Freiburg – Kantonsspital zur Dialyse, die für ihn überlebenswichtig ist. Gespräch mit dem 43-Jährigen und mit Séverine Abis, einer der Pflegefachfrauen, die ihn seit drei Jahren begleiten.

Weshalb brauchen Sie eine Dialyse?
Tosho Milchevski: Ich leide an Zystennieren, einer Erbkrankheit. In meinen Nieren haben sich Zysten gebildet, die ich entfernen lassen musste. Zum Zeitpunkt der Operation wogen meine Nieren je vier Kilo, normal wären 160 Gramm.

Gibt es noch weitere Gründe für eine Dialyse?
Séverine Abis: Ja, zum Beispiel Bluthochdruck, Diabetes, eine Nierenentzündung oder Nierenkrebs. Alle diese Erkrankungen verringern die Fähigkeit der Nieren, das Blut zu filtern. Andere Gründe sind ein zu niedriger Blutdruck oder ein physischer Stoss oder Schlag, welche die Nierenfunktion vorübergehend beeinträchtigen und eine Dialyse erfordern, bis sich die Nieren wieder erholt haben.

Wie läuft die Dialyse ab?
TM: Eine Dialyse dauert durchschnittlich vier Stunden. Die Maschine ist wie eine künstliche Niere, durch die mein Blut etwa zehnmal hindurchläuft, um die Giftstoffe und die Flüssigkeit herauszufiltern, die ich nicht mehr über den Urin ausscheiden kann. Bei jeder Sitzung nehme ich fast vier Kilo ab, so viel Flüssigkeit wird aus meinem Blut entnommen.

SA: Herr Milchevski gehört zu den Patienten, welche die Dialyse selbstständig durchführen. Das heisst auch, dass er die Maschine selbst vorbereitet und einstellt. Das ist aber nicht für alle Patientinnen und Patienten möglich. Neben der technischen Unterstützung bieten wir auch ein offenes Ohr oder Ratschläge. Wir beobachten, wie es der Patientin oder dem Patienten geht, gehen auf ihre oder seine Gefühle ein und beantworten Fragen.

Welchen Einfluss hat die Dialyse auf Ihren Alltag?
TM: Sie zwingt mich dazu, ein gesundes Leben zu führen und streng auf meine Ernährung zu achten. Das ist etwas Gutes! Am härtesten ist es im Sommer mit dem Durst, denn ich darf auf keinen Fall zu viel trinken. Am Wochenende sage ich manchmal Einladungen ab, weil es schwierig sein kann, nicht zusammen mit meinen Freunden etwas trinken zu können.

Sonst führe ich ein ganz normales Leben, mit einigen Besonderheiten: Ich muss mich regelmässig wiegen und lutsche Eiswürfel, um mich mit möglichst wenig Flüssigkeit abzukühlen. Ich war sogar in Italien und Mazedonien in den Ferien. Dazu musste ich nur vorher das dortige Dialysezentrum kontaktieren und einen Platz reservieren. Alles hat bestens geklappt. Im Moment arbeite ich nicht. Ich habe es versucht, aber ich bekam Schmerzen und es war schwierig, eine Stelle zu finden, an der ich nur jeden zweiten Tag arbeiten kann.

Was haben Sie in all den Jahren gelernt?
TM: Vor allem meine Krankheit anzunehmen. Mein Vater und mein Onkel litten auch darunter. Zehn Jahre lang wusste ich, dass ich die Krankheit geerbt hatte, weigerte mich aber, das zu akzeptieren. Ich versteckte meinen Gesundheitszustand und bin nicht zu Arztterminen erschienen. Bis ich eines Tages in der Notaufnahme landete und keine Wahl mehr hatte... Heute sehe ich mich nicht als Kranker und dank der Dialyse geht mein Leben weiter. Wenn ich eine Krankheit wählen müsste, würde ich wieder die gleiche nehmen!

Welche Kompetenzen entwickeln Dialysepatientinnen und -patienten?
SA: Einige wollen möglichst selbstständig sein und übernehmen viel Verantwortung, so wie Herr Milchevski. Sie achten auf ihre Ernährung und informieren sich über die medizinischen Aspekte sowie die Funktionsweise der Maschine. Für andere ist es schwieriger, sie sind passiver und weniger kooperativ. Dann benötigen wir viel Energie, um sie zu begleiten. Ich gebe zu, das ist manchmal nicht einfach. Sie machen seit fast fünf Jahren drei Dialysen pro Woche.

Baut man da eine Beziehung zu anderen Patienten und zum Pflegepersonal auf?
TM: Wir Patienten sprechen während der Sitzungen miteinander, aber man trifft sich nicht unbedingt ausserhalb des Spitals. Die Beziehung zum Pflegepersonal ist anders als in anderen Abteilungen, denn mit der Zeit lernt man sich kennen und manchmal entsteht eine Verbindung.

SA: Auch wir bauen eine Beziehung zu manchen Personen auf. Allerdings müssen wir professionell bleiben und alle Patientinnen und Patienten mit dem gleichen Qualitätsanspruch betreuen, eine gewisse Distanz wahren und immer wohlwollend handeln. Deshalb arbeiten wir in Schichten, damit wir nicht immer dieselben Patientinnen und Patienten behandeln. Einzig eine Nierentransplantation könnte dafür sorgen, dass Sie keine Dialyse mehr benötigen.

Wieso wurde bei Ihnen noch keine Transplantation durchgeführt?
TM: Die Warteliste ist lang, durchschnittlich wartet man fünf bis sechs Jahre auf eine Niere. In meinem Umfeld konnte kein passender Spender für eine Lebendorganspende gefunden werden. Aber nach fast fünf Jahren komme ich langsam an die Spitze der Liste. Hoffentlich bekomme ich bald den Anruf!

 

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