Ein Leben im Takt der Hormone

Die Hormone begleiten Frauen während ihres ganzen Lebens, in guten wie in schlechten Zeiten. Aber was genau sind Hormone? Wie funktionieren sie? Und wie verändern sie sich mit zunehmendem Alter?

Schlummerphase in der Kindheit

Kleine Mädchen – Föten, Babys und Kleinkinder – haben noch keine weiblichen Hormone. „Während der Kindheit schlafen die Hormone“, erklärt PD Dr. med. Dorothea Wunder, Leitende Ärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe. „Das Hormonzentrum im Gehirn ist schon vorhanden, sendet aber noch keine Signale an die Eierstöcke. Es werden also noch keine weiblichen Hormone produziert.“

Das Hormonzentrum besteht aus dem Hypothalamus und der Hypophyse. Es sendet Signale an die Follikel (Eibläschen) in den Eierstöcken, damit die Eizelle reift und die beiden weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron produziert werden. „Diese Hormone wirken auf die Funktionen des Fortpflanzungssystems. Ausserdem beeinflusst Östrogen auch die vaginale Mikrobiota, den Schlaf, die Stimmung, die Qualität von Haut, Haaren und Schleimhäuten sowie das Herz-Kreislauf-System, das Gedächtnis und die Knochendichte.“

Pubertät: die Zeit des Erwachens

In der medizinischen Fachsprache wird die erste Menstruation Menarche genannt. „Bevor die erste Menstruation eintritt, laufen mehrere Phasen ab: Die Brust entwickelt sich, es wachsen Scham- und Achselhaare, der Körpergeruch verändert sich und die Mädchen erleben einen starken Wachstumsschub“, erläutert Dr. med. Wunder.

Mit dem Eintritt in die Pubertät nimmt das Hormonzentrum seine Arbeit auf. „Die ersten Zyklen sind oft noch unregelmässig und die Eisprünge noch nicht optimal. Die Signalübertragung zwischen Gehirn und Eierstöcken ist noch nicht vollständig ausgereift, das dauert im Durchschnitt zwei bis fünf Jahre.“

In der Blüte des Lebens

„Man sagt, dass der Höhepunkt der Fruchtbarkeit bei 25 Jahren liegt, weil die Reifung des Körpers dann abgeschlossen ist.“ Dieser Höhepunkt entspricht dem Zeitpunkt, an dem die Hormone Östrogen und Progesteron während des Zyklus ihre volle Funktion ausüben. Das Östrogen kommt dabei in der ersten Zyklushälfte zum Zug, also in den Tagen nach dem Ende der Menstruation. „Es sorgt dafür, dass die Gebärmutterschleimhaut regeneriert und der nächste Eisprung vorbereitet wird.“ Östrogen wird also während der Reifungsphase der Eizellen bis zum Eisprung freigesetzt. Nach dem Eisprung ist das Progesteron an der Reihe.

Es sorgt dafür, dass sich die befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnistet. Wird die Eizelle nicht befruchtet, wird kein Progesteron mehr produziert. Und die Menstruation setzt dann ein, wenn der Hormonspiegel am niedrigsten ist.

Wenn es aber zu einer Befruchtung kommt, wird weiterhin Progesteron ausgeschüttet, um dem kleinen Embryo ein gemütliches Nest zu bieten. Während der Schwangerschaft werden übrigens vermehrt weibliche Hormone produziert. Östrogen und Progesteron spielen eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung der Brustdrüsen auf das Stillen, wobei noch zwei weitere Hormone – Prolaktin und Oxytocin – beteiligt sind, und zwar sowohl während als auch nach der Geburt.

Der hormonelle Herbst

„Ab dem Alter von 35 Jahren altern die Zellen, die diese Hormone produzieren, und ihre Ausschüttung kann abnehmen.“ Die Folgen sind unter anderem ein verkürzter Zyklus, Schwierigkeiten, schwanger zu werden, aber auch ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, wenn es zu einer Schwangerschaft kommt. Der Körper bereitet sich allmählich auf die Menopause vor und die Fruchtbarkeit nimmt ab.

„Die zehn Jahre vor der Menopause werden als Prämenopause bezeichnet. In dieser Zeit nehmen bestimmte prämenstruelle Symptome wie Launenhaftigkeit, depressive Verstimmung sowie Rücken-, Kopf- und Brustschmerzen zu, weil die Hormone langsam aus dem Gleichgewicht geraten. Aber das ist von Frau zu Frau sehr unterschiedlich.“

Ende des hormonellen Signals

Die Perimenopause, also die zwei Jahre vor der Menopause, bereitet den Körper darauf vor, dass die Eizellenproduktion endgültig eingestellt wird. „Man spricht von Menopause, wenn ein ganzes Jahr ohne Menstruation vergangen ist. Das ist meist zwischen 40 und 60 Jahren der Fall.“ Konkret: Die Hormonzentrale im Gehirn funktioniert weiterhin, aber es werden keine Eizellen mehr gebildet und die Eierstöcke reagieren nicht mehr auf Signale. Die Hormone Östrogen und Progesteron werden nicht mehr ausgeschüttet.

Diese Hormone, die bislang den Schlaf, die Stimmung, die Qualität von Haut, Haaren und Schleimhäuten, aber auch das Herz-Kreislauf-System, das Gedächtnis und die Knochen beeinflusst haben, können ihre Funktion nicht mehr ausüben.

„Aufgrund des Knochenabbaus ist das Risiko von Osteoporose bei Frauen in der Menopause erhöht. Sie leiden auch häufiger an Bluthochdruck und haben ein höheres Risiko für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall.“ Zum Glück gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, um die Auswirkungen der fehlenden Hormonproduktion auszugleichen, und auch die Ernährung und körperliche Betätigung tragen zur Erhaltung der Gesundheit bei.

 

 

 

>> Erfahren Sie unserem Podcast mit PD Dr. Med. Dorothea Wunder mehr über den ersten bis zum letzten Zyklus der Frau. 

Kleines Glossar
Petit glossaire du cycle et des hormones

Hormone: chemische Substanzen, die von den Drüsen produziert werden. Sie steuern die Entwicklung oder Funktion eines Organs.

Hypothalamus und Hypophyse: zwei Drüsen im Gehirn, deren Zusammenspiel von grosser Bedeutung ist. Der Hypothalamus kommuniziert mit der Hypophyse unter anderem, um ihr die fruchtbare Phase mitzuteilen, während die Hypophyse die Aufgabe hat, die Botschaft an die Eierstöcke weiterzuleiten.

Östrogen und Progesteron: die weiblichen Hormone, die den Menstruationszyklus und die Fruchtbarkeit beeinflussen.

Eierstöcke: die Fortpflanzungsorgane der Frau. In den Eierstöcken werden die Eizellen produziert.

Eizellen und Follikel: Die Eizellen reifen während der ersten Phase des Zyklus in den Follikeln heran. Follikel sind eine Art kleine Bläschen, die sich in den Eierstöcken befinden und in denen die Eizellen heranwachsen. Ausserdem werden die weiblichen Hormone Östrogen und Progesteron in den Follikeln ausgeschüttet.

Eisprung: der Moment, in dem sich die reife Eizelle vom Eierstock löst, um ihren Weg durch den Eileiter zurückzulegen, in der Hoffnung, auf ein Spermium zu treffen.

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