Das Spital im eigenen Wohnzimmer
Mitten in der COVID-19-Pandemie weihte das HFR ein schweizweit einzigartiges Pilotprojekt im Bereich Telemedizin ein. Dank vernetzten medizinischen Geräten, die unter Anleitung eines Arztes von einem Assistenten bedient werden, können Patienten bei sich zu Hause untersucht werden.
Ein Pfleger – oder telemedizinischer Assistent – begibt sich zum Patienten nach Hause. Er ist mit spezifischen Geräten ausgerüstet, darunter ein vernetztes Tablet. Im Zentrum für Telemedizin verbindet sich ein Arzt mit dem Tablet und leitet die Konsultation von seinem Arbeitsplatz aus. Während der gesamten Untersuchung, die der Pfleger je nach Bedarf durchführt, sehen sich Arzt und Patient per Video. Der Arzt hat sofort Zugriff auf die Ergebnisse und kann eine Diagnose stellen sowie allenfalls Interventionen oder zusätzliche Präventionsmassnahmen anordnen. Gerade in Zeiten der Coronavirus-Epidemie eine ideale Lösung.
«Mithilfe des Assistenten, der beim Patienten zu Hause ist, können medizinische Untersuchungen durchgeführt und mithilfe dieser Daten präzise Diagnosen gestellt werden.»
Tatsächlich wurde das Telemedizin-Projekt Anfang März 2020 konkret, als sich das Virus stark ausbreitete. Das Konzept war in erster Linie für Personen mit eingeschränkter Mobilität gedacht, doch die Pandemie hat gezeigt, dass sich dieses System auch für besonders gefährdete Personen eignet, die möglichst zu Hause bleiben sollten. «Das Coronavirus hat zwei Hauptrisiken für unser Gesundheitssystem aufgezeigt: die Überlastung der Spitäler und die Isolierung von Risikopatienten. Mit unserem Telemedizin-Koffer bringen wir diesen Patienten die medizinische Behandlung, die sie benötigen, zu ihnen nach Hause», erklärt Dr. med. Ronald Vonlanthen, Medizinischer Direktor. «Wir versorgen die Patienten frühzeitig, um Komplikationen und Verlegungen ins Spital zu vermeiden.» Professionell, schnell, wohlwollend und effizient angesichts der COVID-19-Krise: die Patienten, die von dieser telemedizinischen Konsultation profitierten, sind zufrieden und die Bilanz nach einigen Wochen äusserst positiv.
Mit Unterstützung der Medizinischen Direktion wurde die Idee eines telemedizinischen Angebots seit Ende August 2019 vom Labor und der Direktion Informationssysteme entwickelt. Das Projekt trägt dem Wandel des Gesundheitssystems Rechnung, der unter anderem vorsieht, die Technologie zum Patienten zu bringen. Mit Unterstützung und in Zusammenarbeit mit dem Kanton, den niedergelassenen Ärzten, dem Amt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (LSVW), der Hochschule für Gesundheit Freiburg (HEdS) und Santé24 möchte das HFR seine telemedizinischen Leistungen in Absprache mit den behandelnden Ärzten den Pflegeheimen, spezialisierten Einrichtungen und Spitex-Diensten anbieten.
Eine Ergänzung zu den Hausärzten
Das Zentrum für Telemedizin befindet sich am HFR Freiburg – Kantonsspital und verfügt über eine ausgelagerte Zweigstelle für die Pfleger, die sich zu den Patienten nach Hause begeben. Sollte es zu einem Wiederanstieg der COVID-19-Fälle kommen, kann das Zentrum bis zu 200 Konsultationen am Tag gewährleisten. Während der Pandemiezeit werden die telemedizinischen Konsultationen von der Krankenkasse (KVG) übernommen. Die Telemedizin funktioniert als Ergänzung zu den Hausärzten und ersetzt diese auf keinen Fall. Die Konsultation findet in Absprache mit den Hausärzten statt.
Einzigartiges Verfahren in der Schweiz
Das HFR ist das einzige Schweizer Spital, das eine solche Dienstleistung anbietet. Die Telemedizin ist mehr als nur eine einfache Videosprechstunde, bei welcher der Patient alleine bei sich zu Hause ist und dem Arzt in der Praxis seine Probleme schildert. «Unser Werkzeug ist viel fortschrittlicher», hält Christophe Bosteels fest. «Der Assistent ist direkt beim Patienten und kann medizinische Untersuchungen durchführen. Die so gewonnenen Daten sind wichtig, um eine genaue Diagnose zu stellen. Und der Arzt steuert die Sprechstunde vom Zentrum für Telemedizin aus.»
Dr. med. Andreas Ebneter, Leitender Arzt der Inneren Medizin, ist Mitglied des Steuerungsausschusses. Interview.
Welche Art von Krankheiten können Sie mithilfe des vernetzten Koffers diagnostizieren?
Im Moment konzentrieren wir uns auf das kardiale und respiratorische System (Herz und Lunge) sowie auf Infektionen der oberen Atemwege. Wir können auch Patienten in Quarantäne (z. B. COVID-19) betreuen, aber wir sehen in naher Zukunft noch weitere Möglichkeiten vor.
Haben die Patienten das Gefühl, eine echte Sprechstunde zu erleben? Was sind Ihre bisherigen Erfahrungen?
Die ersten Rückmeldungen sind positiv. Das System bietet eine hohe Sicherheit, die Hausärzte sind aber in jedem Fall weiterhin die ersten Ansprechpartner.
Was kann man am Telemedizin-System des HFR noch verbessern?
Zunächst müssen wir genau definieren, welche Patienten am meisten von diesem System profitieren. Eine Umfrage hat kürzlich ergeben, dass 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung der Telemedizin gegenüber offen sind. Das Potenzial ist also da. In einem zweiten Schritt sollten die Hausärzte auf das System zugreifen können, ohne sich ins Zentrum für Telemedizin begeben zu müssen. Ausserdem müssen die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegefachpersonen analysiert werden.