Ein offenes Ohr für Opfer häuslicher gewalt

Wie andere Spitäler spielt auch das HFR eine wichtige Rolle im Betreuungsprozess für Opfer häuslicher Gewalt. Zur Aufgabe der Gesundheitsfachpersonen gehört, das Problem zu erkennen sowie die Betroffenen zu unterstützen und zu informieren. Zuweilen müssen sie auch die Behörden einschalten.

Jeder Zehnte wird irgendwann in seinem Leben Opfer häuslicher Gewalt, wobei diese körperlicher, psychologischer oder wirtschaftlicher Natur sein kann. Dieses leidvolle Phänomen betrifft vor allem Frauen, und zwar jeder gesellschaftlichen Schicht. Am HFR finden die Betroffenen jedoch ein offenes Ohr: Das Personal der Ärzteschaft und Pflege ist darin geschult, betroffene Patienten professionell zu unterstützen und zu beraten. 

«Wir unterstützen, ohne zu urteilen.» 

«Gewalt darf in keiner Form toleriert werden», stellt Thierry Jaffrédou, Experte für Notfallpflege am HFR und Mitglied der kantonalen Kommission gegen Gewalt in Paarbeziehungen, gleich zu Beginn klar. «Es ist jedoch nicht an uns, zu urteilen. Unsere Aufgabe ist, die Opfer neutral und wohlwollend zu versorgen. Das Spital ist ein geschützter Ort, der Gelegenheit bietet, sich jemandem anzuvertrauen. » 

Mit fremden Menschen über das Erlebte zu sprechen, ist aber in diesem Fall nicht leicht; umso mehr, als die Beziehung zwischen Opfer und Peiniger, bisweilen selbst Opfer, oft sehr komplex ist. Pflegende und Ärzte müssen deshalb das Thema von sich aus ansprechen, wenn sie Anzeichen möglicher Misshandlungen – in den meisten Fällen sind es Spuren von Schlägen – entdecken. 

Auch bei psychischen Problemen (Angst, Depressionen) oder körperlichen Symptomen (Herz- oder Magenbeschwerden), Unstimmigkeiten zwischen dem klinischen Befund und dem Bericht des Patienten oder einem auffälligen Verhalten sollten beim behandelnden Gesundheitsfachpersonal die Alarmglocken läuten. Besonders gilt dies für Kinder, unabhängig davon, ob sie direktes Opfer oder Zeuge von häuslicher Gewalt wurden. 

HOFFNUNG VERMITTELN 

«Wir bieten den Opfern sofortige Unterstützung », erläutert der Experte. «Der erste und wichtigste Schritt ist, das vom Opfer geäusserte Problem ernst zu nehmen. Wenn nötig, werden danach die durch körperliche Gewalt entstandenen Verletzungen ärztlich dokumentiert. » Anschliessend informiert das Spitalpersonal die Betroffenen über die diversen Hilfsstellen, an die sie sich wenden können, darunter das Jugendamt, Vereine zum Schutz von Frauen, Opferhilfeverbände usw. 

Zuweilen müssen die Gesundheitsfachkräfte noch einen Schritt weiter gehen: «Hat der Arzt den Eindruck, dass sich die betroffene Person in Gefahr befindet, muss er dies den zuständigen Behörden melden», so Thierry Jaffrédou. Konkret handelt es sich dabei meist um das Friedensgericht, das den Fall beurteilt und wenn nötig Massnahmen zum Schutz des Opfers trifft. Bei einer Gefährdung von Leib und Leben schaltet das Friedensgericht die Strafverfolgungs- behörden ein. 

«Für Opfer von häuslicher Gewalt existiert ein gut ausgebautes Hilfsnetzwerk», betont der Experte für Notfallpflege. «Auch die Täter können sich dabei helfen lassen, aus der Gewaltspirale auszubrechen. Unsere Aufgabe ist es, jenen die Hoffnung wiederzugeben, die sie verloren haben.»