Stimmen einer Krise

Jede Abteilung hat die turbulente Zeit anders erlebt. Ob im Büro oder am Patientenbett: Im Spital hat die Pandemie niemanden unberührt gelassen. Mitarbeitende berichten, wie sie sich vorbereitet haben, wie sie und ihre Kollegen die Krise erlebten und wovor sie Angst hatten.

Jeder hat in seinem Bereich Verantwortung übernommen

Andreas Berger, Direktor Logistik a.i.

In der Kommandozentrale kamen Vertreter aller Direktionen und Abteilungen zusammen. So zu arbeiten, war eine sehr interessante Erfahrung. Dank der dynamischen Organisation und der kontinuierlichen Anpassung der Prozesse konnten wir sehr schnell Entscheidungen treffen und Probleme auf innovative und effiziente Weise abarbeiten. Alles, was bis anhin unmöglich schien, war plötzlich doch möglich, weil alle es wollten.

Die Ungewissheit war die grösste Herausforderung. Wir befürchteten, nicht genügend Personal zu haben, doch dank Massnahmen wie Ferienstopp, Verlegungen von Abteilungen und die Unterstützung durch Freiwillige und Armeeangehörige konnten wir dieses Problem gut bewältigen. Die zweite Sorge galt dem Material. Die Krise hat uns gezeigt, dass ein gewisser Notvorrat vorhanden sein muss. Es war nicht einfach, aber wir haben daraus gelernt. Wir waren erfolgreich, weil wir ein tolles Team haben. Vom Generaldirektor und dem Medizinischen Direktor über die Ärzte und Pflegenden bis hin zu den Mitarbeitenden der Restauration, des Empfangs, der Verwaltung usw.: Alle haben ihren Teil und mehr beigetragen, zum Wohl der Freiburger Bevölkerung und der Patientinnen und Patienten. Es war beeindruckend, wie engagiert alle waren. Jeder hat vorausschauend gehandelt und selbst nach Aufgaben gesucht, ohne auf Anweisungen zu warten, und alle haben in ihrem Bereich Verantwortung übernommen. Nur dank diesem Engagement konnten wir die Situation gut bewältigen. Die Krise hat ausserdem die Wichtigkeit gewisser Berufe gezeigt, die sonst manchmal übersehen werden. Wir wissen, dass ein Spital ohne sein Reinigungspersonal nicht funktionieren kann, aber die besondere Wertschätzung, die das Team während dieser Zeit erfahren hat, erfüllte die Mitarbeitenden mit Stolz. Es herrschte eine gute Energie im ganzen Spital. Wir haben gelernt, dass wir gemeinsam stark sind und Grosses erreichen können.

Den Babys ging es gut

(Diese Aufnahme ist nur auf Französisch verfügbar)

Evelyne Mouillé, Stationsleiterin Geburtenabteilung

Für die Schwangeren war die Situation belastend und beängstigend. Sie getrauten sich nicht mehr aus dem Haus und hatten Angst, dass ihr Partner bei der Geburt nicht dabei sein kann. Wir versuchten, sie bestmöglich zu beruhigen, aber da es sich um eine unbekannte Krankheit handelte, wussten wir nicht, wie sich eine Ansteckung auswirken würde. Ausserdem waren die Frauen verunsichert, wo sie entbinden werden, denn es war vorgesehen, dass die Geburtenabteilung allenfalls ins Daler-Spital verlegt wird, um Platz für COVID-Patienten zu machen. Das war aber zum Glück nicht nötig. Für Mütter, die Symptome aufwiesen, haben wir sogenannte COVID-Zimmer eingerichtet. Als wir dann die ersten erkrankten Schwangeren aufnahmen, waren wir beruhigt: Sie waren krank, aber die Krankheit verlief wegen der Schwangerschaft nicht schwerer. Und den Babys ging es gut. Insgesamt haben es alle Mütter gut überstanden. Obwohl sie nach der Geburt nur 24 Stunden im Spital bleiben und während dieser Zeit keinen Besuch empfangen konnten, schätzten es die Frauen, dass sie sich ganz ihrem Kind widmen und die Zeit als Familie geniessen konnten, denn die Väter durften immer bei ihnen sein. Wir haben unsererseits die Unterstützung der Bevölkerung sehr geschätzt. Auch wenn es schwierig war, haben wir gespürt, dass die Freiburgerinnen und Freiburger hinter uns stehen und wissen, dass wir für sie da sind. Ich fand es wundervoll, dass uns so viele junge Freiwillige und Soldaten geholfen haben. Das hat uns viel Kraft und Mut gegeben. Wir sind immer sehr positiv geblieben und haben uns gesagt, dass wir den Kampf gewinnen werden. Ich kam gerne zur Arbeit, weil ich meinen Beruf liebe und leidenschaftlich gerne mache, aber auch weil ich das Gefühl hatte, am richtigen Ort zu sein. Wir machten unsere Arbeit, denn dafür sind wir da ‒ auch in Ausnahmesituationen. Wir haben getan, was getan werden musste.

Die Teams zur Verstärkung ausbilden

(Diese Aufnahme ist nur auf Französisch verfügbar)

Fabien Rigolet, Leiter Berufsbildungszentrum Pflege

In einem ersten Schritt mussten wir die (Fach-)Weiterbildung einstellen, was einen grossen Aufwand bedeutete. Daraufhin stiess ein Teil der Ausbildner zu den Pflegeteams an der Front, während ein anderer die Teams ausbilden musste, die bei einem allfälligen Personalmangel in den einzelnen Fachgebieten zum Einsatz kommen würde. Gewissen Ausbildnern ist es nicht leicht gefallen, sich für die eine oder andere Aufgabe zu entscheiden, da ihnen beide am Herzen liegen: Die Abteilung unterstützen und die Patientinnen und Patienten versorgen oder die Teams zur Verstärkung in den Bereichen Intensivpflege, Notfallmedizin oder Anästhesie ausbilden. Ausserdem haben wir in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gesundheit Freiburg (HEdS) ein Programm zur Integration des externen Personals hochgefahren. Um noch besser aufgestellt zu sein, haben wir Unterrichtende der HEdS geschult, damit diese wiederum Studierende ausbilden konnten. Gleichzeitig hat unser Verwaltungspersonal die HR-Abteilung verstärkt und bei der Rekrutierung von Studierenden unterstützt. Das alles wurde innerhalb von rund zehn Tagen aufgegleist. Zudem haben wir Video-Tutorials produziert, beispielsweise um Schutzmassnahmen zu erklären. Die Agilität, Anpassungsfähigkeit und Autonomie meines Teams haben mich sehr beeindruckt.

Diese Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass das HFR bei der Ausbildung dieser Fachpersonen in Anästhesie-, Notfall- und Überwachungspflege, die an vorderster Front kämpfen, autonom ist. Ohne sie hätte die Situation durchaus kritisch werden können. Wenn wir im Bereich der Ausbildung von anderen Leistungserbringern wie beispielsweise Universitätsspitäler abhängig sind, fehlen uns die notwendigen Fachpersonen. Die Krise hat bewiesen, dass die ehrgeizige Politik des HFR, einer der drei Anbieter von Fachweiterbildung in der Westschweiz zu sein, richtig ist. Fakt ist: Die kantons- und spitälerübergreifende Ausbildung von Fachpersonen am Berufsbildungszentrum Pflege entspricht einem wesentlichen Bedürfnis des Gesundheitswesens.

Bild
Symbolbild
Eine Mail alle 60 Sekunden!

Magali Morier, Organisationsentwicklerin HR

Eine der ersten Massnahmen, die Anfang März ergriffen werden mussten, war der Ferienstopp für das gesamte Personal. Diese Massnahme ist meines Wissens am HFR noch nie zuvor in Kraft getreten. Sie hat die Weichen für all das gestellt, was noch kommen sollte. Dann habe ich mich schon sehr bald um das Rekrutierungszentrum gekümmert. Das war keine einfache Aufgabe: Wir hatten ja keine Ahnung, wann wir wie viel Personal benötigen würden und welche Profile gefragt sein würden! Meine Kollegin hat daraufhin in den sozialen Netzwerken eine recht allgemein formulierte Bitte um Unterstützung aufgeschaltet. Zu Beginn dachte ich mir, dass wir mit 100 Angeboten wohl gut bedient wären. Tatsache war aber, dass wir drei Tage lang alle 60 Sekunden eine Mail bekommen haben! Viele stammten von Studierenden, aber auch von Gesundheitsfachpersonen wie Physio- und Ergotherapeutinnen, die ihre gewohnte Tätigkeit nicht ausüben konnten. Über die sozialen Netzwerke haben wir Zugang zu einer viel jüngeren Bevölkerungsgruppe erhalten. Die Freiwilligen, die wir üblicherweise einsetzen, hätten wir unter diesen besonderen Risiko-Umständen nicht aufbieten können. Alle Kandidaturen durchzusehen war aufwändig. Doch die gute Zusammenarbeit mit den anderen Direktionen (Medizin, Logistik, usw.) hat wesentlich zur einwandfreien Funktion des Rekrutierungszentrums beigetragen. Unter dem Strich haben wir im Bereich der Ärzte und des Pflegepersonals nur wenig Hilfe von aussen benötigt, da unsere internen Ressourcen ausreichten. Im Bereich Hauswirtschaft hingegen war das Personal von einem Tag auf den anderen extrem gefordert. Plötzlich musste die Reinigungsfrequenz verdreifacht werden, in den Eingangsbereichen mussten Masken verteilt sowie Corona-Checkpoints eingerichtet werden und das Empfangspersonal benötigte Verstärkung. Den zahlreichen freiwilligen Helferinnen und Helfern, die uns tatkräftig unterstützt haben, sind wir extrem dankbar. Dank ihnen konnten wir uns organisieren und uns der Situation anpassen. Wir haben uns für den schlimmsten Fall gewappnet: dass viele Kolleginnen und Kollegen krank würden und ersetzt werden müssten. Zum Glück ist dieses Szenario nicht eingetreten!

Ein tolles Beispiel für Interdisziplinarität

(Diese Aufnahme ist nur auf Französisch verfügbar)

Olivier Rime, Leiter Ergotherapie / Physiotherapie, HFR Freiburg – Kantonsspital

Es gab ganz klar zwei Phasen. In der ersten haben wir auf die Welle gewartet. Wir haben die ambulanten Behandlungen eingestellt und gleichzeitig Programme erarbeitet, um unsere chronisch kranken ambulanten Patientinnen und Patienten aus der Distanz betreuen zu können. In der zweiten Phase wurde in der Intensivpflege insbesondere im Bereich der Sedierung die Taktik zur Behandlung der COVID-Patienten geändert. Für uns bedeutete dies sehr viele Einsätze im Bereich der nicht-invasiven Beatmung, Tests der Schluckfunktion nach Extubation sowie Frühmobilisierungen. Aber auch intubierte Patienten wurden durch Bewegung oder Umlagerung stimuliert. Die Ergotherapeutinnen und -therapeuten spielten eine wichtige Rolle bei der Lagerung der Patienten, um Dekubitus zu verhindern. In der Intensivpflege war eine sehr positive Dynamik zu beobachten: Man arbeitete zusammen, die Schranken zwischen den einzelnen Berufen waren gefallen – ein tolles Beispiel für Interdisziplinarität. Wenn die Patienten die Akutphase hinter sich hatten, waren sie sehr geschwächt. Man muss wissen, dass man durch eine einwöchige Bettlägerigkeit 20 Prozent seiner Muskulatur verliert. Das erfordert eine Rehabilitation. Wir waren daher an der Schaffung einer Station für die Frührehabilitation von COVID-Patienten beteiligt, wo sie vor ihrem Übertritt in die Rehabilitation betreut wurden. In dieser zweiten Phase hat unser gesamtes Team grosse Flexibilität an den Tag gelegt und war an sieben Tagen pro Woche verfügbar. Gleichzeitig haben wir auch Patienten behandelt, die nicht am Coronavirus erkrankt waren, insbesondere orthopädische und neurologische Notfälle.

Bild
Symbolbild
Eine unsichtbare Farbe

Rébecca Lehmann, Leiterin Hotellerie a.i., HFR Freiburg ‒ Kantonsspital

Um diese Situation zu meistern, mussten alle Bereiche zusammenarbeiten. Und die Hauswirtschaft spielte eine zentrale Rolle, denn von einem Tag auf den anderen wurde die Desinfektion von Zimmern, Gängen, Betten und Kontaktflächen (Lichtschalter, Geländer, Türgriffe) lebenswichtig und die Arbeitsbelastung doppelt oder dreimal so hoch. Unsere Teams erhielten tatkräftige Unterstützung von Freiwilligen, dem Zivilschutz und Armeeangehörigen. Alle Mitarbeitenden haben schnell verstanden, wie wichtig ihre Arbeit ist. Am Anfang machten meine Kollegen und ich uns Sorgen um unsere Teams, aber die Schutzmassnahmen waren gut und alle haben sich sehr rücksichtsvoll verhalten, das hat uns beruhigt. Wir wurden von den Infektiologen geschult, die uns ein gutes Bild vermittelt haben, damit wir unsere Aufgabe besser visualisieren konnten: Die Teams sollten sich eine unsichtbare Farbe vorstellen, die an allen Oberflächen, den Händen, den Schuhsohlen, den Kleidern usw. haftet. Die Verwaltung der Arbeitspläne und die Integration der Hilfskräfte, die Umsetzung der neuen Massnahmen, die Gespräche mit den Einkäufern und die zahlreichen Sitzungen haben dazu geführt, dass ich meine Kollegen nicht so oft in den Abteilungen unterstützen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte. Die Krise hat mir gezeigt, dass wir Situationen, die unüberwindbar schienen, viel besser meistern können als gedacht. Das ist ein schöner Lohn für unsere Arbeit.

Key words