Die Sorge um die Patientinnen und Patienten, die sie nicht mehr im Blick hat

Ambulante Behandlungen haben die Patientenversorgung und damit auch den Beruf der Pflegefachpersonen neu definiert, insbesondere das Austrittsmanagement. Estelle Fehlmann, Pflegefachfrau in der Abteilung ambulante Onkologie des HFR Riaz, berichtet von ihren Erfahrungen.

In der Onkologie können fast alle Behandlungen ambulant durchgeführt werden. „Das ist gut für die Patienten“, sagt Estelle Fehlmann, Pflegefachfrau am HFR Riaz. Sie war neun Jahre lang in der stationären Akutmedizin tätig. Mittlerweile arbeitet sie seit acht Jahren in der ambulanten Onkologie. Sie hat also die „ambulante Wende“ selbst vollzogen und ihre tägliche Arbeit hat sich dadurch grundlegend verändert.

„Die grösste Veränderung ist, dass wir vorwegnehmen müssen, was der Patientin oder dem Patienten zu Hause passieren könnte. Hier bei uns haben wir die Situation unter Kontrolle. Aber dann gehen die Leute nach Hause und wir wissen nicht, was ihnen dort passiert oder passieren könnte.“ Sie muss an alles denken – je nach Behandlung, aber auch je nach Einstellung des Patienten zu seiner Krankheit, seinem körperlichen und mentalen Zustand, seinem Charakter, seinen Ressourcen, seinen Angehörigen – und den Patienten darauf vorbereiten. „Das nennt man Patientenedukation“, erklärt die Pflegefachfrau. Eine individuelle und komplementäre Pflegepraxis also, welche die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten stärken soll. In einer ambulanten Abteilung ist das von entscheidender Bedeutung.

Ebenfalls wichtig: die Koordination und Zusammenarbeit mit allen anderen Partnern, die sich ausserhalb des Spitals um die Patientinnen und Patienten kümmern: Hausärztinnen und Hausärzte, Spitex, Gesundheitsligen, Voltigo usw. Obwohl die ambulante Versorgung ihr das Gefühl geben könnte, einen Teil der Patientenbetreuung anderen zu überlassen, gehört für Estelle Fehlmann alles, was sie für die Patienten tun kann, zur Pflege, auch wenn sie sie nicht mehr direkt im Blick hat. Und so ist sie denn auch nicht der Meinung, dass ihr Beruf dadurch an Attraktivität verliert. Ganz im Gegenteil: „In der ambulanten Onkologie am HFR Riaz wurde diesen Herbst ein Projekt eingeführt, das unsere Selbstständigkeit und Verantwortung zusätzlich stärken wird: die Pflegesprechstunden für Erwachsene, CINA.“ Diese Sprechstunden werden von Pflegefachpersonen durchgeführt, die ein CAS besitzen oder die CINA-Ausbildung durchlaufen haben. Zu ihnen zählt auch Estelle Fehlmann. „Ich freue mich darauf, diese Sprechstunde mit den Patientinnen und Patienten durchzuführen und sie zu betreuen. Ich möchte ihnen helfen, mit den Auswirkungen der Krankheit, der Therapien und der Symptombehandlung umzugehen.“

Das bedeutet auch, sich trotz durchgetakteter Tage etwas mehr Zeit nehmen zu können. Denn die Patientinnen und Patienten sind nur wenige Stunden vor Ort. „In dieser kurzen Zeit gibt es viel zu erledigen, darunter Pflege, Administratives, Care und die Organisation der Pflege zu Hause“, so Estelle Fehlmann. Doch um nichts in der Welt möchte sie tauschen. „Ich empfinde es als Privileg, die Menschen begleiten zu können; ihnen in diesen schwierigen Momenten zur Seite zu stehen, in denen sie gerade erfahren haben, dass sie Krebs haben und sich massiven Behandlungen unterziehen müssen und Angst haben. Und ja, wir können ihnen helfen. Es wird für sie nicht unbedingt einfacher, aber wir sind für sie da. Deshalb ist hier mein Platz.“ Genau diese Aufgabe ist es, die sie jeden Tag motiviert – und nicht etwa die Tatsache, dass sie im ambulanten Bereich keine Nacht- oder Wochenenddienste mehr leisten muss. „Es ist ein bequemeres Leben, das stimmt – aber nein, das ist nicht der Grund, warum man in die Onkologie kommt.“ Man kommt, um den Patientinnen und Patienten zu helfen, in deren Leben wegen der Erkrankung nichts mehr so ist, wie es einmal war.

Vertiefte Ausbildung für Pflegefachpersonen

Die Pflegelandschaft verändert sich. Da die Menschen immer älter werden, steigt der Pflegebedarf; es gibt mehr chronische Erkrankungen, während es in der Grundversorgung an Ärztinnen und Ärzten mangelt. Das Profil der Advanced Practice Nurse (APN) ist eine angemessene Antwort auf diese neuen Herausforderungen.

Was sind APN?
Pflegeexpertinnen und -experten APN üben einen Beruf an der Schnittstelle zwischen Ärzteschaft und Pflegefachpersonen aus. Sie verfügen über einen akademischen Master-Abschluss. In der Schweiz gibt es verschiedene APN-Profile: Clinical Nurse Specialist (CNS), Nurse Practicioner (NP) und Advanced Practice Nurse (APN).

Und konkret?
APN verfügen über erweiterte Kompetenzen, die von einer umfassenden klinischen Beurteilung bis hin zur Erstellung einer Diagnose reichen. Diese Kompetenzen ermöglichen es ihnen auch, die Verantwortung für die regelmässige Nachsorge der Patientinnen und Patienten zu tragen. Sie können zusätzliche Untersuchungen anordnen, Nachsorgeund Präventionsmassnahmen veranlassen oder, im Falle der NP, bei Bedarf bestimmte ärztliche Verschreibungen erneuern oder anpassen.

APN sind in verschiedenen Bereichen und Einrichtungen tätig, z. B. in der ambulanten Chirurgie oder Onkologie, bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Krankheiten oder Nierenerkrankungen, in Pflegeheimen, Gesundheitsligen oder im Bereich der psychischen Gesundheit.

Welchen Mehrwert bringen APN?
APN bieten Vorteile auf verschiedensten Ebenen:

  • Für die Patientinnen und Patienten: besserer Zugang zur Gesundheitsversorgung, weniger Besuche in der Notaufnahme, weniger und kürzere Spitalaufenthalte
  • Für die Ärztinnen und Ärzte: mehr Zeit für ihre Kernaufgabe,neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit
  • Für die Pflegefachpersonen: neue Berufsperspektiven, eine eigenständigere Art der Berufsausübung; mehr Verantwortung
  • Für das Gesundheitssystem: Kostensenkung, bessere Koordination der Pflege

Die Möglichkeit, als Advanced Practice Nurse eine klinische Laufbahn einzuschlagen, verleiht dem Beruf zudem eine neue Attraktivität. Dies könnte die Rekrutierung von Nachwuchskräften erleichtern und Pflegefachpersonen davon abhalten, ihren Beruf aufzugeben.

Und in Freiburg ?
Das HFR sieht in seinen Zielen vor, jeder medizinischpflegerischen Abteilung APN-Stellen zuzuweisen. Die Ärzteschaft sowie die Generaldirektion unterstützen dieses Vorhaben, das noch 2023 umgesetzt werden soll. Derzeit machen sieben Pflegefachpersonen eine entsprechende Ausbildung in Lausanne und werden diese im Laufe dieses Jahres abschliessen. Ein Pflegeexperte APN wurde Anfang November in der Funktion eines CNS für das Ambulatorium des HFR eingestellt. In einer zweiten Phase wird die Rolle der APN in den Gesundheitszentren ihr volles Potenzial entfalten können.

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